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Die erste Phase des Reichstages 165
die Handhabe bieten, die anderen Beratungen zu blockieren. Sie entschlossen
sich darum – nicht ohne erhebliche Skrupel –, von den Richtlinien des Königs
abzuweichen140. Zu ihrer Rechtfertigung führten sie auch an, sie hätten ihre
beabsichtigte Reaktion vertraulich mit einigen Katholiken besprochen und
deren Zustimmung gefunden, und außerdem habe der sächsische Gewährsmann
versichert, es werde trotz der pfälzischen Drohungen im Kurfürstenrat weiter
gearbeitet werden. In der offiziellen Antwort an die Stände unterließen sie also
jede nähere Äußerung zur Sache, erklärten nur, da der König keine Beschwer-
den gegen den Religionsfrieden erwartet habe, seien sie zu diesem Begehren
nicht instruiert, sagten zu, ihrem Herrn unverzüglich zu berichten, und ver-
langten, bis zu seiner Stellungnahme dem katholischen Votum entsprechend zu
verfahren141. Dem König rieten sie, auch seinerseits nicht zur Sache zu antwor-
ten, sondern nur mitzuteilen, darüber bis zu seiner Ankunft nachdenken zu
wollen. Die Taktik hatte Erfolg, denn die kursächsischen Räte brachten ihre
protestantischen Kollegen in den nächsten Tagen dahin, wenigstens unverbind-
lichen Beratungen über die anderen Punkte der Tagesordnung zuzustimmen142.
Von Landgraf Philipp erhielt Zasius die Mitteilung, er habe seine Gesandten
angewiesen, Türkenhilfe zu bewilligen; angefügt war der Ratschlag, wenn der
König die österreichischen Stände „auch liesse inn den religionsfrieden, der zu
Augspurg auffgericht, komen“, würde das die Hilfsbereitschaft der Protestan-
ten erhöhen143.
Ferdinand hat das Verhalten seiner Räte anstandslos gebilligt. Am 26. Okto-
ber konnten die Kommissare seine Resolution bekanntgeben, die sich ganz an
ihren Empfehlungen orientierte. Der König mißbilligte die Infragestellung des
Religionsfriedens, sprach die Erwartung aus, daß die Stände inzwischen die
parallele Beratung der beiden Hauptpunkte aufgenommen hätten, stellte sein
persönliches Erscheinen für den 28. November in Aussicht und verband damit
die Erklärung, bis dahin „dises erregten puncten der freistellung halben ... in ain
bedenken nemen und einstellen“ zu wollen144.
Unterdessen war eine neue Störung eingetreten: Am 20. September war der
Kurfürst von Köln verstorben, die Räte der weltlichen Kurfürsten sprachen
daraufhin den Kölner Vertretern die Legitimation zur Teilnahme an den Sit-
zungen ab, und als Folge dieser Streiterei – die Mainzer und Trierer Vertreter
verteidigten die Kölner – stagnierten die Beratungen weitere vier Wochen145.
Ein Vermittlungsversuch Helfensteins scheiterte, doch Ferdinand nahm die
neue Verzögerung erstaunlich gelassen146. Am Wiener Hof stellte man sich
140 HHStA Wien, RK RTA 37, fol 209r-216r (Or.): Bericht der Kommissare vom 13.10.1556
141 Ebda, fol 243r-245v: Replik der königlichen Kommissare v. 13.10.1556 (Kopie)
142 Bundschuh, S. 158; Wolf, Protestanten, S. 35
143 HHStA Wien, ebda, fol 334r: Philipp an Zasius, 10.10.1556
144 Ebda, fol 308r-310r: Missiv an die Kommissare vom 22.10.1556 (das Zitat fol 309r); vgl. Wolf,
Protestanten, S. 38, Bundschuh, S. 159
145 Notiz im Mainzer Protokoll: Vom 26.10 bis zum 18.11 „in aller Handlung stillgestanden“ (MEA
RTA 43, S. 215). Vgl. Bundschuh, S. 158f
146 Er meinte, der Streit werde ja infolge der Neuwahl binnen kurzem erledigt sein, und bis dahin
sollten die Kölner besser verzichten oder sich mit Zuhören begnügen, denn in der kurzen Zeit
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien