Seite - 167 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
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Der Reichstag unter Ferdinands persönlicher Leitung 167
vortragen. Nach einer Rechtfertigung für sein Ausbleiben und der üblichen
Betonung des königlichen Interesses am Reichstag folgten die bedauernde Fest-
stellung, daß bisher nur wenig erarbeitet worden sei, und eine Ermahnung, sich
nun ins Zeug zu legen und die verlorene Zeit wieder hereinzubringen. Der
Kurfürstenrat wurde aufgefordert, von den anderen, neben der Religion anhän-
gigen Fragen als erste die Türkenhilfe zu behandeln. Um die Dringlichkeit zu
unterstreichen, nahm Ferdinand nach der Ansprache seines Kanzlers selbst das
Wort, bat die Stände, die Verteidigung Ungarns „nit allein alls ir Mt. sondern
auch als ir selbst aygne sachen angelegen sein [zu] lassen“, und ersuchte den
Kurfürstenrat um parallele Beratung der beiden Hauptpunkte anstatt der be-
schlossenen abwechselnden155. Des Königs Anstoß bewirkte immerhin, daß die
Stände sich dazu bequemten und bis Weihnachten, also binnen zwei Wochen,
ihre ersten Bedenken zu beiden Problemen zustande brachten. Gelegentlich
bedurfte es zähen Insistierens seiner als Vertreter Österreichs und Referent des
Fürstenrates agierenden Räte gegenüber dem Kurfürstenrat und dessen Mainzer
Sprecher156.
Die Stellungnahme der Stände zu der beantragten Türkenhilfe vermochte
Ferdinand keineswegs zufriedenzustellen. Obwohl die Notwendigkeit der Hil-
feleistung im Fürstenrat nach einem weiteren Plädoyer der Österreicher, daß
die von den Türken drohende Gefahr „das gemain vaterland und ain jeden ein-
woner deß haylligen reichs teutscher nation zum höchsten belangte“, allseits
anerkannt wurde, wünschten einige Stände vom König präzisere Angaben über
Umfang und Konditionen. Auch im Kurfürstenrat wurde die Berechtigung des
königlichen Antrags nicht bestritten. Dort waren auch die Fragen andiskutiert
worden, ob eine „beharrliche Hilfe“ zu bewilligen157 und ob es tunlicher sei,
selbst Soldaten zu stellen oder ausschließlich Finanzhilfe zu leisten158. Dennoch
beschränkte sich das am 18. Dezember dem König übergebene, überwiegend
vom Kurfürstenrat konzipierte „Bedenken“159 zunächst auf die Empfehlung, er
selbst oder der Kaiser sollten andere christliche Herrscher um Beistand ange-
hen, da ja die ganze Christenheit gefährdet sei; außerdem sei die Beendigung der
schwelenden Konflikte innerhalb des Reiches Voraussetzung; der König möge
sich um rasche Beilegung des Erbstreites um die Grafschaft Katzenelnbogen,
des Zwistes zwischen der Fränkischen Einung und Albrecht Alkibiades160 so-
155 HHStA Wien, RK RTA 39, fol 478v-485r: Protokoll des Reichstages zum 8.12.1556 (das Zitat
fol 483v); vgl. Ernst, Bw. 4, S. 226f; der sächsische Gesandte merkte an, Ferdinand sei vor Erre-
gung den Tränen nahe gewesen (Kurze, S. 100 Anm. 34).
156 Hierzu und zum Folgenden: HHStA Wien, ebda, fol 488r-500r: Protokoll über die Reichstags-
handlungen vom 10.12. bis 18.12.1556. So wollte der Mainzer Kanzler einmal mit der Ausrede,
es sei schon spät und die Lichter seien angezündet, den Austausch der schon fertigen Bedenken
beider Kurien verschieben (fol 492v).
157 So im Votum Brandenburgs: Mainzer Protokoll zum 10.12.1556 (HHStA Wien, MEA RTA 43,
S. 379ff). Zum Terminus vgl. Steglich, S. 9
158 Ebda, fol 66v: Aus dem Bericht der Mainzer Räte vom 11.12.1556 an Kurfürst Daniel
159 HHStA Wien, RK RTA 38, fol 202–204 (Dorsalvermerk: Lectum Ratisbonae 19.12.1556). Die
anderen Quellen geben übereinstimmend den 18. Dezember an, z.B. das Mainzer Protokoll (eb-
da, MEA 43, S. 433ff) und die Württemberger Gesandten (Ernst, Bw. 4, S. 231).
160 Die beiden Punkte wurden von Brandenburg eingebracht; zu ersterem vgl. G. Schmidt passim
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien