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Der Reichstag unter Ferdinands persönlicher Leitung 173
nicht vor, doch war deutlicher als in ihrem Votum vom 12. Oktober herausge-
arbeitet, daß der Antrag erfolgte, weil dieser Artikel allein vom König in den
Abschied eingesetzt worden war. Sie verfolgten mithin die Strategie, den
„Geistlichen Vorbehalt“ als nicht zum Religionsfrieden gehörig und wegen der
fehlenden Zustimmung aller Reichsstände als rechtsunwirksam zu disqualifizie-
ren. Angefügt war die Drohung, wenn die Freistellung „nicht vorhandt geno-
men, tractiert und erledigt“ werde, würde das für die anderen Punkte der Ta-
gesordnung „nicht wenig hinderung und vortzug“ bringen, weil sie sich dann
auf keinerlei Beschlüsse einlassen dürften186. Da Ferdinand nach wie vor nicht
gesonnen war, in dieser Streitfrage nachzugeben, das aber beim Stand der ande-
ren Verhandlungen jetzt nicht gut offenbaren konnte, erteilte er abermals eine
hinhaltende Antwort187.
Die königliche Resolution vom 24. Dezember 1556 informierte dann alle
Stände ausführlich über jene Vorstellungen Ferdinands188, die Zasius im Religi-
onsausschuß bereits angedeutet hatte. Die einmütige Einschätzung von Natio-
nalkonzil und Reichsversammlung als untauglich nahm der König zur Kenntnis
und stimmte der Meinung der geistlichen Fürsten zu, daß man ein Generalkon-
zil fördern solle. Doch dann erklärte er die Bedenken der weltlichen Fürsten,
daß es zur Zeit schwerlich zu erlangen sei und noch weniger zu heilsamen Er-
gebnissen führen werde, für fundiert. Da aber Ständen und Untertanen des
Reichs um ihres Seelenheils willen an der Vergleichung der Religion gelegen
sein müsse und das Problem „aller möglichen beförderung wol würdig und
nottürftig“ sei, akzeptierte er den Vorschlag der Weltlichen, daß diesmal „die
tractation solches religion artickls durch ein colloquium angericht werde“.
Doch wegen der negativen Erfahrungen mit früheren Colloquien sollte das
Problem nicht wieder „weitleuffigk und unvorfengklich“ behandelt werden,
sondern „allein in massen und gestalt einer christlichen freundtlichen consulta-
tion, underredt und berattschlagung durch die stende, so itzo in dem ausschuss
der religion sachen halben deputiert und verordnet worden, aigener person oder
ihre dartzu taugliche geschickte und in heiliger schrift gelehrte und erfarene
friedliebende rethe“. Gegenstand ihrer Besprechungen sollte nicht weniger sein
als die „strittigen puncten und artickl der religion mit ihren anhengen und um-
bstenden“. Allerdings sollte die Arbeit des Ausschusses nur vorklärende Funk-
tion haben, denn die Ergebnisse der „freundtlichen, sanftmütigen und vertrauli-
chen“ Gespräche sollten unter Darlegung der Gründe, warum man sich über
die einzelnen Punkte geeinigt bzw. nicht geeinigt habe, in das normale Reichs-
tagsverfahren zurückgeleitet werden189.
186 HHStA Wien, RK RTA 38, fol 194–201 (undatierte Kopie); gedruckt bei Erstenberger, fol 28r-
33r; vgl. Wolf, Protestanten, S. 45f; Ritter, Geschichte 1, S. 134; Westphal, S. 62f
187 Vgl. Wolf, Protestanten, S. 47; erst am 5. Februar 1557 erging sein ausführlicher Bescheid (s.u. S.
191f).
188 HHStA Wien, RK RTA 38, fol 153r-156r; undatierte Kopie ebda 36, fol 65r-66r; Bundschuh, S.
192 Anm. 73 nennt weitere Überlieferung.
189 Die entscheidende Passage auch zitiert bei Bundschuh, S. 194 Anm. 77, teilweise bei Bucholtz 7,
S. 365; kurzes Inhaltsreferat bei Wolf, Protestanten, S. 47.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien