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Kapitel 2: Der Regensburger
Reichstag174
Der springende Punkt der Resolution war der Vorschlag, den eben gebilde-
ten Religionsausschuß selbst mit der Beratung der religiösen Streitfragen zu
beauftragen. Nach Ferdinands Ansicht sollten die in den Ausschuß gewählten
Stände nach Möglichkeit persönlich mitwirken und ihre theologisch gebildeten
Räte nur als Sachverständige heranziehen. Noch immer hoffte er ja, daß wenig-
stens die meisten Kurfürsten doch noch nach Regensburg kämen190. Hingegen
wünschte er kein Gremium, in dem die Theologen allein das Wort führten.
Damit wich er von den inzwischen allgemein mit einem Colloquium verbunde-
nen Vorstellungen ab, waren doch Diskussionen zwischen Theologen beider
Konfessionen seit den Veranstaltungen von Worms (1540) und Regensburg
(1541 und 1545/46) zum wesentlichsten Bestandteil eines Colloquiums gewor-
den191. Bedeutsam sind ferner das Fehlen von Vorgaben über die Grundlage der
Beratungen und der Versuch, „weitläufige“ Festlegungen des Verfahrens zu
umgehen, obwohl in Regensburg 1545/46 gerade die Kontroversen über diese –
vorher nicht geregelten – Vorfragen sehr viel Zeit gekostet und zum Scheitern
beigetragen hatten192. Andererseits war das Wormser Colloquium 1540 durch
die sehr komplizierte Geschäftsordnung in seiner Leistungsfähigkeit stark be-
einträchtigt gewesen193. Denkbar ist darum, daß Ferdinand diese Probleme
zunächst ausklammerte, um Angriffspunkte gegen seinen Vorschlag zu vermei-
den. Daß die Ergebnisse des Ausschusses als unverbindlich betrachtet und den
Reichsständen zur weiteren Behandlung vorgelegt werden sollten, entsprach
den früheren Anläufen und war allgemeine Auffassung.
Sucht man nach Parallelen für Ferdinands Vorschlag, so muß man wohl noch
hinter die Reunionsversuche der frühen vierziger Jahre zurückgehen. Am ehe-
sten ist eine Ähnlichkeit mit den Verhandlungen während des Augsburger
Reichstages von 1530 gegeben, als ein mit Fürsten, Räten und Gelehrten be-
setzter kleiner Ausschuß über die theologischen Streitfragen beraten hatte194.
Mit seiner Resolution verfolgte Ferdinand aber nicht nur seine Anfang Ok-
tober signalisierte Absicht weiter, die Lösung der Religionsfrage durch den
Reichstag selbst zu versuchen – eben nach Vorarbeit im interkurialen Religions-
ausschuß unter beratender Mitwirkung von Theologen oder anderen theolo-
gisch kompetenten Räten. Inhaltlich entspricht diese Resolution auch weitge-
hend seiner im Februar 1554 während der Vorüberlegungen zum Augsburger
Reichstag entwickelten Konzeption195. Sie kann, betrachtet man sie im Zusam-
menhang seiner religionspolitischen Überlegungen, keineswegs überraschen.
Man darf sie nicht – wie mehrmals geschehen – interpretieren, er sei „auf die
190 Gerade erst hatte er dem Mainzer Kurfürsten mitteilen lassen, seine Entschuldigung für sein
Fernbleiben sei nicht ausreichend (HHStA Wien, MEA RTA 43, fol 69r-71r: Bericht der Main-
zer Räte v. 8.12.1556); vgl. auch Kapitel 3, S. 219.
191 Das belegen die Instruktionen mehrerer evangelischer Fürsten für diesen Reichstag einerseits
(vgl. Hollerbach, S. 207ff), die Ausführungen von Zasius im September 1556 oder Brauns wäh-
rend der Beratungen im Religionsausschuß andererseits.
192 Vgl. Hollerbach, S. 176ff
193 Hollerbach, S. 144ff; Luttenberger, Glaubenseinheit, S. 218ff
194 Becker, Verhandlungen, S. 134ff; Immenkötter, Einheit, S. 28ff
195 s. Kapitel 1, S. 42
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien