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Kapitel 2: Der Regensburger
Reichstag180
che der Bischöfe vom 5. Januar bei Ferdinand verfaßt worden227. Witzel über-
nahm Ferdinands Auffassung, die Besprechung sei auf Beratung (consultatio)
und Vergleichung (collatio) und nicht auf Streit (digladiatio) abzustellen, denn
disputiert und sich beschimpft habe man mittlerweile 38 Jahre lang; alle Spitz-
findigkeiten seien beiseite zu lassen. Daß die Ergebnisse von einer Synode der
Bischöfe gutgeheißen werden müßten, hielt Witzel für selbstverständlich und in
kurzer Zeit durchführbar – er sprach von zwei bis drei Monaten. Erforderlich
sei ein kompetenter Vorsitzender mit je einem Beigeordneten von jeder Seite.
Als ratsam erachtete Witzel, um den Katholiken die Prärogative zu sichern, die
katholische Lehre in kurzen Thesen zusammenzufassen, denen die Gegenseite
dann entweder zuzustimmen oder sie begründet abzulehnen hätte. Je schneller
diese „christliche Konsultation“ stattfinde, desto besser wäre es, obwohl Witzel
nicht daran glaubte, daß sie noch in Regensburg durchführbar sei, weil die Für-
sten nicht so lange bleiben und der König wohl nach Ungarn abgerufen werden
würde. Bemerkenswert – aber bisher übersehen worden – ist schließlich, daß
Witzel den wichtigsten Einwand der Geistlichen gegen das Religionsgespräch
mit dem Argument beiseiteschob, wenn der König es für nötig halte, sei ihm
nicht zu widerraten, da ja das Ergebnis irgendwann dem Papst zur Prüfung
vorgelegt werden würde228. Da abzusehen war, daß im Religionsausschuß etli-
che Modalitäten des Gesprächs erörtert werden würden, könnte die Denk-
schrift als Handreichung für die dort mitwirkenden Räte des Königs (also für
Zasius) gedacht gewesen sein.
Indessen nahmen die Verhandlungen im Ausschuß eine andere Richtung229.
Dort wurde über Ferdinands Resolution fast gar nicht gesprochen. Symptoma-
tisch war der erste Diskussionsbeitrag Thanns, wollte er doch gleich über die
Zahl der Teilnehmer am Colloquium reden, womit er den Kern des königlichen
Vorschlags stillschweigend überging. Dann aber rückten die Vorbedingungen
der Geistlichen in den Mittelpunkt, deren Tragweite die Protestanten zunächst
nicht erkannt zu haben scheinen, so daß auch Zasius sich erlauben konnte, sie
gutzuheißen230. Es kam zu langwierigen Kontroversen, in denen die Protestan-
ten ihrerseits Bedingungen aufstellten, die für die Geistlichen unannehmbar
waren, insbesondere die ausdrückliche Ablehnung des Lehramts der Kirche bei
der Begründung der Forderung, allein das Zeugnis der Heiligen Schrift dürfe
Maßstab bei allen Entscheidungen über Glaubensfragen sein. Zasius’ Vorschlag,
nur die beiden unstreitigen Prämissen festzuschreiben – Unverbindlichkeit des
Colloquiums sowie Vorlage der Ergebnisse an Kaiser und Reich – und die Ge-
gensätze durch einen einfachen Verweis auf die Rahmenbedingungen früherer
Religionsgespräche zu übertünchen, fand keine Resonanz, so daß er wieder zu
dem dann allseits akzeptierten Mittel greifen mußte, dem König ein zwiespälti-
227 Druck bei Döllinger 3, S. 171–173. Zum Inhalt Trusen, Reform, S. 32f und Bundschuh, S. 217
mit Anm. 128, doch ohne zureichende Einordnung in den Ablauf des Reichstags.
228 „Quod si Rom. Regi videbitur necessarium et reipub. per Germaniam utile, non dissuadendum
fuerit, quin tota ista collocutio Papae Paulo IV. cognoscenda tradatur aliquando...“ (Döllinger 3,
S. 173).
229 Zu den Diskussionen im Ausschuß eingehend Bundschuh, S. 207–210.
230 HHStA Wien, MEA RTA 44a, fol 116v: Mainzer Religionsprotokoll zum 14.1.1557.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien