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Kapitel 2: Der Regensburger
Reichstag182
mühungen wieder intensiviert, die Mehrzahl der Kurfürsten doch noch zum
persönlichen Erscheinen in Regensburg bestimmen zu können236, außerdem
auch mit dem Landgrafen Philipp von Hessen einen der einflußreichsten evan-
gelischen Fürsten237. Wie stark der Glaube an die Möglichkeit der persönlichen
Einwirkung bei ihm verwurzelt war, beweist die folgende, von Herzog Chri-
stoph überlieferte Episode: Während eines Arbeitsfrühstücks bei Herzog Al-
brecht habe der König ihn gebeten, den Landgrafen Philipp zum persönlichen
Besuch des Reichstages zu ermuntern und ihn dabei an den Wormser Reichstag
von 1521 zu erinnern, als Ferdinand und Philipp „einander im gemach mit
bankkussen geworfen“238; trotz allem, was in den dazwischen liegenden 36
Jahren vorgefallen war – darunter die fünfjährige Haft des Landgrafen in habs-
burgischem Gewahrsam –, meinte Ferdinand, mit der Erinnerung an eine
übermütige Kissenschlacht im Jünglingsalter ließe sich wieder ein ungezwunge-
nes Verhältnis aufbauen. Es ist schwerlich ein Zufall, daß Ferdinand seine Idee,
noch während dieses Reichstages zu gütlicher Beratung der Religionsfrage zu
kommen, erst dann nicht mehr weiterverfolgt hat, als er die Hoffnung auf das
persönliche Erscheinen jener Fürsten endgültig aufgeben mußte. –
In der Zwischenzeit waren die Beratungen über die Türkenhilfe wieder ins
Stocken geraten. Zwar war im Fürstenrat gleich nach der königlichen Philippika
Einvernehmen erzielt worden, die beantragten 8 doppelten Römermonate239 zu
bewilligen; die österreichischen Vorschläge für die praktische Umsetzung –
Leistung der Hilfe in Geld und nicht durch von den Ständen zu stellende Trup-
pen, Einziehung durch einen eigens zu berufenden „Pfennigmeister“ – waren an
einen Ausschuß überwiesen worden240. Österreich war darin nicht vertreten;
möglicherweise hat Zasius auf die Mitwirkung verzichtet, weil die grundsätzli-
che Zustimmung schon erreicht war. Der Ausschuß entsprach dem königlichen
Antrag, die Hilfe ausschließlich in Geld zu leisten241. Die Beiträge sollten in
zwei Raten zu Ostern und zu Pfingsten erlegt werden; die Stände sollten befugt
sein, ihren Beitrag durch eine allgemeine Steuer auf jedermann umzulegen242,
die auch vom Klerus entrichtet werden sollte; der König sollte die Reichsritter-
schaft auffordern, sich ebenfalls zu beteiligen. Die Verzögerung aber hatte der
236 Vgl. Kapitel 3, S. 219f. In HHStA Wien, RK RTA 38 befinden sich Entwürfe zu individuellen
Schreiben an alle sechs Kurfürsten, die sämtlich zwischen 25. und 27. Januar 1557 datiert sind
(fol 354r-367r). Außerdem führte Ferdinand zu diesem Zweck Gespräche mit den Vertretern der
ostdeutschen Kurfürsten (Wolf, Protestanten, S. 53).
237 Ebda, fol 370r-371v: Kopie eines Schreibens v. 27.1.1557 an Philipp
238 Ernst, Bw. 4, S. 249f: Christoph an Philipp, Regensburg, 14.1.1557
239 Der „Römermonat“ bedeutete seit der Reichsmatrikel von 1521 die Gestellung bzw. Besoldung
von 20 000 Fußknechten und 4000 Berittenen, die 1521 auf 4 bzw. 10 Gulden pro Mann und
Monat angesetzt wurde, seit 1530 für Berittene schon 12 Gulden (Steglich, S. 30 Anm. 124 u. S.
45). Schulze, Reich, S. 341, rechnet aus, daß durch die Revision der Matrikel 1545 der finanzielle
Gesamtwert um ca. ein Drittel gekürzt worden war.
240 HHStA Wien, RK RTA 39, fol 513v-519r: Protokoll des Fürstenrates zum 22.12.1556; Ernst,
Bw. 4, S. 238f: Württemberg. Bericht v. 28.12.1556
241 Bedenken des „Türkenausschusses“ des Fürstenrats (v. 30.12.1556) in HHStA Wien, ebda, fol
293r-295r (undatierte Kopie); Datierung nach dem Protokoll ebda fol 521r
242 Diese Umlageform war zunächst umstritten (Ernst, Bw. 4, S. 239). Allgemein zur Erhebung von
Türkensteuern Schulze, Reich, S. 179ff u. S. 377ff.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien