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Kapitel 3: Die Übernahme des Kaisertums
1556/58208
Der kaiserlichen Antwort auf seine ersten Rechtfertigungen für sein Verhal-
ten beim Abschluß des Augsburger Reichstages sah der König nicht ohne Sorge
entgegen, wie sein nach Brüssel mitgeteilter Entschluß, er werde 15 Tage in
Innsbruck auf die Antwort warten, deutlich erkennen läßt6. Auf die Meldung
seines Brüsseler Geschäftsträgers Gamiz, der Kaiser treibe die Vorbereitungen
für seine Einschiffung nach Spanien voran7, erteilte Ferdinand sofort die Wei-
sung, gegen diese „seltsame“ Absicht Einwände zu erheben8. Einen Moment
scheint er erwogen zu haben, trotz seiner drängenden Probleme in den Erblan-
den doch persönlich zum Kaiser zu reisen9, was sicher mit dem Risiko behaftet
gewesen wäre, erheblichen Pressionen ausgesetzt zu werden10. Doch dann
übertrug er die notwendigen Verhandlungen in Brüssel seinem in delikaten
Missionen bewährten und auch vom Kaiser geschätzten Kämmerer Martin
Gúzman11. Ferner entschloß er sich, nachdem die ersten Meldungen aus Brüssel
positiv lauteten, als besonderes Zeichen seiner brüderlichen Zuneigung seinen
zweiten Sohn, Erzherzog Ferdinand, zu einem Besuch in die Niederlande zu
schicken12. Der Neffe mochte dem Kaiser in persönlicher Weise die Haltung
seines Vaters in der Abdankungsfrage bestätigen. Daneben war es sicher auch
ein Zweck dieser Reise, daß, um Vorbehalte abzubauen, Karl den vielverspre-
chenden jungen Mann noch einmal persönlich in Augenschein nehmen sollte13;
denn Erzherzog Ferdinand war weiterhin der Kandidat seines Vaters für eine
Befestigung der dynastischen Verbindung Habsburgs mit England, auch wenn
zu diesem Zeitpunkt keine Gespräche über eine Verheiratung von Lady
Elizabeth – der späteren Königin – beabsichtigt waren14. –
Über Karls Reaktion auf den Mißerfolg Pfintzings liegen divergierende
Nachrichten vor. In München erhielt man eine Meldung, nach dem Bericht des
Kanzleirates habe der Kaiser „nit vast sueß daruber gesehen“15. Aber Gamiz
meldete seinem Herrn, nicht nur des Kaisers Umgebung – Königin Maria, Kö-
nig Philipp, der Bischof von Arras – sei sehr zufrieden, ja geradezu erleichtert,
auch der Kaiser selbst habe geäußert, Ferdinand habe so gehandelt, wie er es an
seiner Stelle auch getan hätte16. In seiner schriftlichen Antwort, die allerdings
erst nach dem Vortrag Gúzmans entstanden ist, erklärte Karl, er könne des
6 Das geht aus Gamiz’ Bericht v. 6.10.55 hervor (HHStA Wien, Spanien, Dipl. Korr. 5, fol 210–
213, Or., großenteils chiffriert; gedruckt bei Druffel 4, S. 745ff, hier S. 748).
7 Ebda, fol 207–208: Gamiz an F., 29.9.55
8 Ebda, fol 243–244: F. an Gamiz, Innsbruck 5.10.55 (stark beschädigtes Konzept)
9 Vgl. das Schreiben von Vanegas an König Philipp bei Turba, Beiträge 3, S. 313; Lutz, Christia-
nitas, S. 415f
10 Ähnlich Thomas, Diplomatie, S. 33f.
11 Die Entscheidung ist gefallen, ehe er Nachricht über die Reaktion des Kaisers hatte.
12 Die Anreise des Erzherzogs wird zuerst am 16.10. vom venetianischen Gesandten Badoer er-
wähnt (Brown 6,1, S. 214).
13 1553 hatte König Ferdinand Schritte einleiten wollen, um für diesen Sohn die Hand der Königin
Maria von England zu gewinnen, was zu heftigen Vorwürfen des Kaisers gegen seinen Bruder
geführt hatte. Vgl. dazu Druffel 4, S. 221 u. S. 333, sowie Lutz, Christianitas, S. 231.
14 Lutz, Christianitas, S. 418f; abweichend Brosch, S. 122f
15 BHStA München, KÄA 4305, fol 472r: „Zeittung“ v. 3.10.1555
16 „mi hermano a echo en esto lo que yo hiziera por mi mesmo, si me tomara este negocio, quando
á él le tomó, quando llegó Pfinzing“ (Druffel 4, S. 746).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien