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Kapitel 3: Die Übernahme des Kaisertums
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schen Stände waren bereits Ende September aufgefordert worden, nach Brüssel
zu kommen, um der Übertragung der Regierung über die Niederlande an Phil-
ipp beizuwohnen24. Gúzman wurde von Karl unterrichtet, daß er auch die Re-
gierung Spaniens demnächst an Philipp übergeben wollte. Das Entlastungsan-
gebot Ferdinands erklärte der Kaiser für ungenügend, weil der König früher die
Vollmacht „das eine Mal zu übernehmen wünschte, das andere Mal nicht“25.
Dennoch erreichte Gúzman das, worauf es Ferdinand am meisten ankommen
mußte: Karl verzichtete auf einen Alleingang. Zwar huldigte der Kaiser offenbar
der Vorstellung, die Krone durch eine einseitige Willenserklärung niederlegen
zu können. Aber er bot jetzt immerhin an, zunächst mit Blankoschreiben aus-
gestattete Gesandte nach Wien zu schicken, mit denen Ferdinand die Modali-
täten der Abdankung besprechen solle; der König könne dann die Reichsstände
über den Rücktritt informieren, wann es ihm passend erscheine, auch nach der
Abreise des Kaisers. Da eine solche Gesandtschaft im Reich Aufsehen erregen
mußte, plädierte Gúzman dafür, ihre Entsendung bis zum Reichstag zu ver-
schieben. Karl wollte sich darauf zunächst nicht festlegen, hat jene Gesandt-
schaft nach Wien dann aber unterlassen.
Eine Folge von Gúzmans Gesprächen war sicher, daß die „eingeweihten
Kreise“ in Brüssel danach jegliche Absicht, Karl wolle auch als Kaiser resignie-
ren, dementierten26. Bis auf weiteres unternahm Karl keine Schritte, um seine
Abdankung als Kaiser zu realisieren. Ein weiterer Umstand, der Ferdinand zu
Hilfe kam, war der schlechte Gesundheitszustand des Kaisers, der den Auf-
bruch nach Spanien im Spätherbst 1555 verhinderte.
Der König quittierte das Zwischenergebnis in der ihm eigenen Weise mit
höflichem Dank, daß der Bruder seine Einwände positiv aufgenommen habe.
Vor allem im Blick auf die Situation im Reich lag es in Ferdinands Interesse,
daß Karl das Kaisertum noch behielt und möglichst auch für einige Zeit präsent
blieb. Noch war die Religionsproblematik ja nicht gelöst; ob der Religionsfriede
sich als stabil erweisen würde, war keineswegs sicher. Ferdinands Kalkül zielte
offenbar darauf, Karl weiterhin für das Reichsgeschehen in der Pflicht zu hal-
ten. Von dem bereits angesetzten neuen Reichstag hoffte Ferdinand, daß dort
die Weichen für die religiöse Wiedervereinigung gestellt würden. Dabei konnte
es ihm taktische Vorteile bringen, wenn er nominell abermals nur „im Auftra-
ge“ des Kaisers zu agieren hatte. Der Vorschlag, die Abdankung eventuell auf
dem nächsten Reichstag bekannt zu geben, sollte wohl primär das Interesse
Karls für die Tagung schüren. Das mehrmals wiederholte Ersuchen, der Kaiser
möge die Kurfürsten zur persönlichen Teilnahme am Reichstag auffordern, ließ
sich plausibel damit begründen, ohne die Anwesenheit dieser Herren sei nur
sehr schwer zu Ergebnissen zu gelangen27. Die naheliegende Ergänzung, daß
für die von Karl erstrebte Übertragung des Kaisertums die persönliche Präsenz
24 Brown 6,1, S. 194f. Die ursprünglich für den 14.10. angesetzte Versammlung wurde erst auf den
23. und schließlich auf den 25.10. verschoben (ebda, S. 214 u. S. 221).
25 Zitiert nach Lutz, Christianitas, S. 417
26 Vgl. Brown 6,1, S. 235f.
27 F. an Karl, 14.12.1555 (HHStA Wien, Hs. blau 597/3, fol 309v-310v) bringt zum Ausdruck, daß
er diese Bitte wiederhole.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien