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Die Verhandlungen mit Karl V. und den Kurfürsten 211
der Kurfürsten Voraussetzung sei, sprach der König dagegen nicht aus. Da es
untunlich, ja gefährlich erschien, sie vorher in diese Absicht einzuweihen,
mußte der Kaiser sich, wenn er sie zur persönlichen Teilnahme drängte, für den
Reichstag insgesamt mit seinen schon festgelegten Beratungspunkten engagie-
ren. Jedoch machte die kritische Zuspitzung der Lage in Ungarn Ferdinand
insofern einen Strich durch seine reichspolitische Rechnung, als er schon bald
einsehen mußte, daß die pünktliche Eröffnung des neuen Reichstages in Re-
gensburg bei eigener persönlicher Anwesenheit nicht realisierbar war28. Je mehr
sich aber der Beginn des Reichstages verzögerte, desto größer wurde die Wahr-
scheinlichkeit, daß Karl vor dessen Ende nach Spanien absegeln würde. Um so
wichtiger wurde es für Ferdinand, daß der Bruder die letzte Instanz blieb, den
Kaisertitel also noch behielt, und es ist dem König schließlich gelungen, seine
Konzeption durchzusetzen.
Wie konkret Ferdinand die Gefahr französischer Intrigen gegen seine Herr-
schaftsübernahme eingeschätzt hat, muß offenbleiben. Französische Bestrebun-
gen, die Reichsfürsten gegen die Habsburger zu beeinflussen, hatten die Brüder
in den Jahren nach dem Fürstenaufstand immer wieder registrieren müssen, und
sie sind auch für die nächsten Jahre nachgewiesen29. Eine Kostprobe davon
hatte Ferdinand selbst erfahren, als im Sommer 1555 auf verschlungenen Pfaden
ein Angebot Heinrichs II. an ihn herangetragen worden war, die älteste seiner
(noch) ledigen Töchter mit dem Dauphin zu vermählen; danach könne der
französische König ihn bei seinen Bemühungen unterstützen, mit den Türken
zu einem Frieden zu kommen. Ferdinand hatte die Versuchung ironisch zu-
rückgewiesen30. Nachdem im Frühjahr 1556 der Waffenstillstand von Vaucelles
zwischen dem Kaiser und Frankreich zustande gekommen war, konnten fran-
zösische Emissäre sich wieder leichter als vorher im Reich bewegen. Vor allem
protestantische Fürsten wurden von ihnen mit verschiedenen Anerbieten um-
worben, die zwar nicht gerade von profunder Kenntnis der Reichsverfassung
zeugten, von denen einige aber als die von Ferdinand befürchteten Intrigen
betrachtet werden können31: Dazu gehört etwa die Sondierung beim Kurfürsten
Ottheinrich von der Pfalz, ob die Kurfürsten nicht zwecks Verhinderung eines
Kaisertums Philipps II. gleich Ferdinands Sohn Maximilian zum Kaiser wählen
wollten; ebenso die direkte Aufforderung an Kurfürst August von Sachsen, sich
selbst um die Kaiserkrone zu bemühen, die August mit der trockenen Bemer-
kung zurückwies, es bestehe im Reich keine Vakanz, sondern man habe im
Römischen König ein ordentlich erwähltes Haupt32.
Von Wilhelm Maurenbrecher ist Ferdinands Weigerung, den Kaisertitel
schon 1555/56 zu akzeptieren, in Zusammenhang gebracht worden mit angebli-
chen Befürchtungen, die der König wegen der künftigen Verfügungsgewalt
28 So schon am 14. 12. 55 (s. die vorige Anm.)
29 Vgl. dazu die Arbeiten von Trefftz und Pariset.
30 Sein Bericht an Karl bei Lanz, Corr. 3, S. 671f; seine Bemerkung, er halte das Angebot an sich
keiner Beachtung wert, spricht gegen die Annahme von Lutz, Christianitas, S. 367, er habe
„höflich, ja verbindlich“ geantwortet.
31 Brown, 6,2, S. 777
32 Lutz, Christianitas, S. 466f mit Nachweisen
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien