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Die Verhandlungen mit Karl V. und den Kurfürsten 219
keit wurde also die Fiktion aufrechterhalten, Karl werde irgendwann zurück-
kehren. In den Erlassen an die Kurfürsten69 und das Reichskammergericht70
war es ebenso gehalten.
Ferdinand fühlte sich an seine dem Bruder zuletzt gegebene Zusicherung ge-
bunden, alsbald die notwendigen Verhandlungen einzuleiten. Sobald er über-
sah, wann er selbst die Leitung in Regensburg übernehmen konnte, begann er
mit Werbungen, um die Kurfürsten doch noch während des Reichstages zu-
sammenzubringen71. König Philipp schlug er vor, den Prinzen von Oranien mit
dem Auftrag, bei den Fürsten des Reiches um Vertrauen zu werben und franzö-
sischen Intrigen entgegenzuwirken, nach Regensburg zu schicken72. Damit
wäre der Hauptdelegierte Karls für den Vollzug der Abdankung jederzeit ver-
fügbar gewesen. Ende November 1556 schickte Ferdinand nochmals Gesandte
zu allen Kurfürsten. Indessen beließ er es bei der umschreibenden Mitteilung, es
handele sich um die Entgegennahme einer sehr wichtigen Botschaft des Kaisers,
wozu die persönliche Anwesenheit sowohl aller Kurfürsten als auch seine eige-
ne erforderlich sei73. Im übrigen machte er kein Hehl daraus, daß er sich von
ihrer Präsenz auch eine Förderung der sonstigen Reichstagsgeschäfte ver-
sprach74. Etwas deutlicher wurde er gegenüber August von Sachsen, den er
wissen ließ, der Kaiser habe ihn gebeten, „aufs ehist“ mit den Kurfürsten zu-
sammenzukommen und zu vereinbaren, wann, wo und wie seine Gesandt-
schaft, die in den Niederlanden warte, angehört werden könne75. Als von Trier
eine positive Reaktion und von Mainz eine nicht gänzlich ablehnende eintra-
fen76, ersuchte er Philipp optimistisch darum, den Prinzen von Oranien nach
Regensburg in Marsch zu setzen, da alle oder doch die Mehrheit der Herren
kommen würden77, und verstärkte seine Bemühungen. Mit dem Pfalzgrafen
Ottheinrich, der aus Krankheitsgründen ablehnte, rechnete er wohl nicht mehr,
aber vom Kölner Erzbischof erlangte er schließlich noch eine Zusage78. Doch
gelang es ihm nicht, die Weigerung der beiden mitteldeutschen Kurfürsten zu
überwinden. Sie argumentierten, bei dem gegenwärtigen Stand der Reichstags-
69 HHStA Wien, RK Rig 36, fol 2r/v (Abschrift). Datum Sudburg, 5.9.1556 (nicht 5.8., wie bei J.W.
Hoffmann 1, S. 12–14, denn da weilte Karl noch in Brüssel.)
70 Druck bei Goldast Collectio I, S. 576. Datum Gent, 27.8.1556
71 Überblick über seine Bemühungen bei Bucholtz 7, S. 400ff., Bundschuh, S. 166
72 F. an Philipp, 20.11.1556 (CDI 2, S. 450ff)
73 Z.B. seine Schreiben v. 23.11.1556 an Brandenburg und v. 26.1.1557 an Köln (HHStA Wien, RK
RTA 38, fol 76–77 bzw. fol 357–358, Konz.)
74 Das geht aus seinem Schreiben an die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen v. 27.1.1557
deutlich hervor (HHStA Wien, RK RTA 38, fol 362–367, Konz.).
75 SHStA Dresden, Loc 10192, fol 4r-5v: Werbung von Ferdinands Gesandten Herberstein (Ko-
pie), laut Dorsalvermerk am 13.10.1556 vorgetragen. In der Werbung v. 23.11.1556 hieß es, es
gehe um des Kaisers „ansuchen konfftigen administration halben“ (HHStA Wien, ebda, fol 96–
97, Konz.).
76 Berichte seines Gesandten über die Werbung bei Trier v. 12.1.1557 und bei Mainz v. 16.1.1557
(ebda., fol 288f bzw. fol 317f)
77 CDI 2, S. 467: F. an Philipp, 24.1.1557. Die Meinung lief auch unter den Ständen um, vgl. Ernst,
Bw. 4, S. 249.
78 HHStA Wien, RK RTA 38, fol 281, nachdem er sich zunächst wegen Unruhen in Westfalen
entschuldigt hatte (ebda, fol 277–279).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien