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Die Verhandlungen mit Karl V. und den Kurfürsten 221
legt zu haben, was der Kaiser beabsichtigte, wußte Ferdinand nun, daß zwei
Kurfürsten dessen „Maximalprogramm“ akzeptieren würden.
In einem Rechenschaftsbericht an den Kaiser nach Abschluß des Reichstages
schilderte Ferdinand eingehend seine Bemühungen um einen Kurfürstentag, um
nachzuweisen, daß die Verzögerung nicht an ihm liege. Nachdem auch die Zu-
sammenkunft in Eger hatte abgesagt werden müssen, sah er keine Chance mehr,
das Treffen vor dem Ende des Jahres arrangieren zu können, zumal er sich im
Sommer wiederum der Verteidigung Ungarns widmen müsse und die Kurfür-
sten vorerst mit der Vorbereitung des für den 24. August nach Worms anbe-
raumten Religionsgespräches beschäftigt wären87. Sein Wissen um die Haltung
der beiden ostdeutschen Kurfürsten gab er nicht preis, doch steckte in seiner
Beteuerung, er habe gehofft, daß die von Karl so sehnlich gewünschte Frucht
bald hätte geerntet werden können, auch eine neue Bekundung seiner Bereit-
schaft, bei den Kurfürsten die vollständige Resignation zu vertreten88. Dennoch
war es aufrichtig, wenn er in den nächsten Wochen gegenüber seinem Neffen
Philipp mehrmals betonte, ihm persönlich wäre nichts lieber, als wenn Karl den
Kaisertitel behielte89.
Philipp kam die Absage des Kurfürstentreffens in Eger sehr gelegen. Er hatte
gerade ohne vorherige Abstimmung mit dem Onkel den Versuch unternom-
men, seinen Vater dazu zu bewegen, den Verzicht auf die Kaiserwürde noch
aufzuschieben, und die Weisung nach Brüssel gegeben, Oranien möge recht
langsam nach Eger reisen90. Philipps Anliegen war vorwiegend motiviert durch
den erneuten Ausbruch der Feindseligkeiten mit Frankreich als Folge des in
Italien von Papst Paul IV. provozierten Krieges91; nicht zuletzt befürchtete er,
als Folge der Abdankung könnten die von ihrer Lehensbindung an Karl befrei-
ten deutschen Fürsten sich von Frankreich zum Kampf gegen ihn anwerben
lassen92. Gegenüber Ferdinand berief er sich auch darauf, daß sie beide bisher
gleicher Meinung über des Kaisers Abdankung gewesen seien93. Die Berechti-
gung seiner Überlegungen hat Ferdinand ebenso anerkannt wie Karl, der darum
den Sohn nicht ganz abschlägig beschied94, sondern einer Verschiebung bis zu
einer positiven Wendung der Angelegenheiten Philipps damals zustimmte95.
87 HHStA Wien, Hs blau 597/3, fol 318r-319v: F. an Karl, 12.4.1557
88 „...ceci aussi plus que jay tousiours espere quelle porterait le fruict que votre majeste tant desi-
re...“ (ebda, fol 318r).
89 So am 26. 4.1557 (CDI 2, S. 475) und am 24. 6.1557 (ebda, S. 482, auch bei Weiss 5, S. 101ff); vgl.
Mignet, S. 347
90 Mignet, S. 252f; Gachard, Charles-Quint, Sp. 941; Gachard, Retraite 2, S. 171f.; Weiss 5, S. 61:
Philipp an Arras, London, 12.4.1557
91 Zum Verlauf Pastor, Päpste 6, S. 416ff
92 Diese Sorge ließ er ein Jahr später Ferdinand in Frankfurt durch Oranien vortragen (Groen van
Prinsterer, S. 31, vgl. Maurenbrecher, HZ 50, S. 52f).
93 Philipp an F., London, 13.4.1557 (CDI 2, S. 471f)
94 vgl. Gachard, Retraite 2, S. 172 Anm.; ders., Charles-Quint, Sp. 945; Maurenbrecher, HZ 50, S.
50
95 „...que S.M se ha contentado de no dexar el Imperio por este verano, hasta ver como suceden mis
cosas...“ (Philipp an Arras, 14.6.1557, bei Weiss 5, S. 91).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien