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Kapitel 3: Die Übernahme des Kaisertums
1556/58222
Indessen gab Philipp diese Antwort nicht mit klaren Worten an Ferdinand
weiter.
Die Intervention Philipps zeigt die Abstimmungsschwierigkeiten, die damals
zwischen Wien und Brüssel bestanden und auch in seiner Kritik an Ferdinands
Religionspolitik zum Ausdruck kamen96. Sie sind in erheblichem Maß – wenn
auch nicht ausschließlich, denn Irritationen über Kontakte Maximilians mit
französischen Agenten kamen hinzu – auf die mangelhafte Vertrautheit Philipps
mit den Problemen des Reiches und den politischen Intentionen Ferdinands
zurückzuführen. Es bedurfte der besseren Sachkenntnis des Bischofs von Arras,
um die Mißverständnisse auszuräumen97.
Ob Philipp II. in diesen Monaten auch versucht hat, den Wiener Verwandten
noch einmal die Idee seiner eigenen Nachfolge im Reich schmackhaft zu ma-
chen, ob auch darin ein Motiv zu sehen wäre, aus dem ihm an den Verschiebun-
gen des Kurfürstentages gelegen war, kann dahingestellt bleiben, denn es gibt
von seiten Ferdinands keine Hinweise, daß er sich damals noch mit diesem
Gedanken beschäftigt hätte. Die Argumentation zugunsten der Sukzession
Philipps in einem Memorandum aus dessen Umgebung war nicht besonders
originell, denn es wurde vor allem der Grundgedanke variiert, die Macht Ferdi-
nands reiche nicht aus, um mit den Provokationen der Protestanten einerseits,
dem von Franzosen und Türken ausgehenden Druck andererseits fertig zu wer-
den; vielmehr könne nur ein enges Zusammengehen von Ferdinand und Philipp
den Zusammenhalt des Reiches und die Zukunft des Hauses Habsburg ge-
währleisten98. Auch früher hatte Ferdinand die Begründung, seine Machtbasis
sei für die Übernahme der Kaiserwürde zu schmal, nicht akzeptiert99.
Als Ferdinand im Sommer neue Sondierungen bei den Kurfürsten für einen
Termin im September aufnahm, scheint er doch verunsichert gewesen zu sein,
ob Karl überhaupt noch auf den Kaisertitel verzichten wollte, denn er verlangte
von Philipp Klarheit, damit er nicht, wenn das Treffen mit den Kurfürsten end-
lich abgesprochen sei, auf einmal desavouiert würde100. Im Oktober, als die
Vorverhandlungen mit den Kurfürsten das letzte Stadium erreichten, wieder-
holte er die Anfrage101. Philipp plädierte zwar zunächst unter Berufung auf den
96 Philipp hatte nicht nur prinzipielle Bedenken gegen das beabsichtigte Religionsgespräch, son-
dern befürchtete auch, es könnte seinen Vater veranlassen, doch auf der sofortigen Abdankung
zu beharren (Weiss 5, S. 72f: Philipp an Arras, 4.5.1557).
97 Diesem Zweck dienten z.B. Briefe des Bischofs an Ferdinand v. 18.4, 9.5., 16.5.1557 (alle in
HHStA Wien, Belgica 88, fol 22r/v, 27r-30r, 24r-25r) sowie v. 11.9.1557 (ebda, Spanien, Dipl.
Korr. 1, fol 48r-49r).
98 Ediert bei Druffel 4, S. 761–767, Korrekturen und Inhaltsangabe bei Turba, Beiträge 3, S. 313f.
bzw. 275ff, letzter Datierungsvorschlag (Ende 1556) bei Lutz, Christianitas, S. 479 mit Anm.
222. M.E. erlauben die Schwerpunkte der Argumentation, auch noch die ersten Monate des Jah-
res 1557 in Erwägung zu ziehen, nachdem die Protestanten ihre Türkenhilfe an Zugeständnisse
in der „Freistellung“ hatten koppeln wollen. Wie das Dokument nach Wien gelangt ist, ist unge-
klärt und läßt sich wohl nicht mehr aufhellen, da es beim Brand des Justizpalastes von 1927 zu-
grunde gegangen ist. (Freundliche Auskunft von Hofrat Dr. A. Cornaro vom 14.8.1995)
99 Vgl. Laubach, Karl V., S.46
100 F. an Philipp, 23. oder 24.6.1557 (mit unterschiedlicher Datierung gedruckt in CDI 2, S. 481–
484 und bei Weiss 5, S. 101–104)
101 F. an Philipp, 12.10.1557 (CDI 2, S. 499–501)
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien