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Der Frankfurter Staatsakt: Die Proklamierung Ferdinands zum Kaiser 225
legen und beim König auf dem Kurfürstentag einsetzen118, während sie bei den
anderen Variationen große politische Nachteile sahen: Das Reich bleibe sonst
Karl verpflichtet und könnte in seine politischen Händel hineingezogen wer-
den, insbesondere bestehe die Gefahr französischer Angriffe auf den Rhein;
oder Karl könnte, falls sein Sohn den Krieg gegen Frankreich gewinne, auf den
Gedanken kommen, die Administration wieder an sich zu nehmen, fremde
Truppen nach Deutschland führen, damit die Protestanten verfolgen und dem
Reich einen unerwünschten Nachfolger aufzwingen – noch immer war der
Respekt vor der Macht Karls V. und seiner Fähigkeit, seinen Willen im Reich
durchzusetzen, groß genug, zugleich kommt darin die Erwartung zum Aus-
druck, von König Ferdinand dergleichen nicht besorgen zu müssen; oder aber
der Papst könnte die unklare Situation nutzen, um das Kaisertum auf Frank-
reich zu übertragen119. Ob die Resignation des Kaisers überhaupt statthaft sei,
war für die ostdeutschen Kurfürsten kein Thema. Am pfälzischen Hof wurde
diese Frage immerhin gestellt, allerdings ohne Vorbehalt bejaht und – worin der
Gutachter, wohl ohne es zu wissen, mit König Ferdinands Auffassung überein-
stimmte – als allein zuständiges Gremium für ihre Entgegennahme das Kurfür-
stenkollegium bezeichnet120. Über das Ausmaß der Resignation waren die Mei-
nungen in Heidelberg anscheinend geteilt. Eine Zeitlang neigte man dazu, Fer-
dinand solle nur die Administration übernehmen, Karl aber die Kaiserwürde bis
zu seinem Tode behalten121. Ottheinrich scheint geglaubt zu haben, bei dieser
Regelung pfälzische Vikariatsrechte anmelden zu können, weil der Kaiser dann
vom Reich abwesend („über berg“) wäre122; außerdem sah man in Ferdinand
einen schärferen Gegner der Protestanten als in Karl123. Doch fand auch die
uneingeschränkte Übertragung des Kaisertums auf Ferdinand ihre Fürspre-
cher124, und der Kurfürst hat sich dieser Meinung angeschlossen; in Frankfurt
trat er von Anfang an für die vollständige Abdankung Karls ein.
In Anbetracht der notorischen Unpünktlichkeit der Reichsstände im 16.
Jahrhundert war es schon bemerkenswert, daß der Frankfurter „Kurfürstentag“
am 25. Februar 1558 tatsächlich beginnen konnte. Der Verlauf der ersten Sit-
zung, deren Regie beim König lag, läßt auf sorgfältige Planung schließen. Man
wollte den Kurfürsten möglichst keinen Ansatz für Opposition gegen die
Habsburger bieten. Obwohl Ferdinand und seine Berater trotz der positiven
Signale von Sachsen und Brandenburg bis zur Eröffnung nicht sicher waren, ob
118 Altmann, Vorgehen, S. 333 Ziff. 9
119 Altmann, Vorgehen, S. 332f (Ziff. 4–8); Zusammenfassung bei Ranke, Reformation 5, S. 330.
Der letzte Punkt ist wohl weniger als konkrete Sorge der Kurfürsten denn als Argument, mit
dem Ferdinand beeindruckt werden sollte, zu verstehen.
120 Leeb, Reichstagsgeschehen, S. 239
121 Kurze, S. 89 Anm. 8 u. S. 105 Anm. 52
122 Kurze, S. 19f; die Widerlegung dieser Ansicht durch den Kanzler Minkwitz ebda S. 89 Anm. 8
123 Kurze, S. 111 Anm. 67
124 Leeb, Reichstagsgeschehen, S. 239; den angegebenen Archivsignaturen zufolge müßte Leeb ein
anderes Gutachten benutzt haben als Kurze, obwohl er sich zur Identifizierung des Autors auf
sie beruft.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien