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Der Frankfurter Staatsakt: Die Proklamierung Ferdinands zum Kaiser 227
informieren wollen und erwarte von ihnen, daß sie seinen Schritt „vor sich
selbst stät und angenehm haben und halten“ und der von seinen Bevollmäch-
tigten vorzunehmenden Resignation und Übertragung persönlich beiwohnten
„auch zu erhaltung ihrer selbst churfürstlichen Recht und Gerechtigkeit“.
Bemerkenswert an dieser ersten amtlichen Mitteilung der Abdankungsab-
sicht an die Kurfürsten ist, daß Karl V. ihnen keinerlei Mitwirkung einräum-
te129, vielmehr ihre Teilnahme auf ihre Anwesenheit bei der öffentlichen Be-
kanntgabe der Herrschaftsübertragung beschränken wollte. So haben ihn die
Kurfürsten auch verstanden. Umso bedeutsamer ist der sich sofort anschließen-
de Zug Ferdinands, der richtig erkannt hatte, daß damit die empfindlichste
Stelle der Kurfürsten getroffen wurde. Unmittelbar nach Seld ergriff der König
selbst das Wort130. Er erzählte den Kurfürsten, wie er im Herbst 1555 von der
Absicht des Kaisers abzudanken überrascht worden sei, von der er vorher we-
der gewußt noch je den Kaiser darum gebeten habe. Er betonte aus seinem Be-
scheid an Pfintzing, „das dise tractation unnd sachen fur die churfursten gehö-
rig“ und die Kurfürsten „in verrichtung derselben dabey sein muesten“, und
berichtete weiter, daß er dem Bruder insgesamt viermal – durch Pfintzing,
Gúzman, Erzherzog Ferdinand und schließlich König Maximilian sowie dessen
Gemahlin – vorgestellt habe, wie beschwerlich es für ihn sei, bei dessen Leb-
zeiten den Kaisertitel zu übernehmen, daß er den Kaiser aber nicht habe um-
stimmen können. Darum habe er „die sachen wie sy an ir selbst geschaffen an
die churfürsten wollen gelangen lassen“. Ferdinand fügte hinzu, sie möchten
berücksichtigen, daß er seinem Bruder so wie stets in seinem Leben auch in
dieser Angelegenheit gern gehorsam sein wolle, und bat die Kurfürsten um
ihren „treuen rath und guetbedunnckhen“131.
Mit seiner letzten Bemerkung ließ Ferdinand durchblicken, daß er nun doch
zur Übernahme des Kaisertitels bereit war. Der Hauptzweck seiner Ansprache
war es aber zu verdeutlichen, wie es allein seiner Rücksichtnahme auf die Ver-
fassung bzw. die kurfürstlichen Funktionen zu verdanken sei, daß Karl nicht
einfach durch eine einseitige Willenserklärung abgedankt hatte. Er gestand den
Kurfürsten also nochmals – wie schon in der Proposition – Mitwirkung zu und
bog damit geschickt etwaige kurfürstliche Entrüstung von seiner Person ab,
ohne dabei doch der kaiserlichen Position etwas zu vergeben; denn eine Mitbe-
stimmung des Kurkollegs brachte auch er in dieser Rede nicht zum Ausdruck.
Die nachfolgenden Beratungen der Kurfürsten beweisen, daß Ferdinands
Schritt die beabsichtigte Wirkung nicht verfehlt hat, aber auch notwendig gewe-
sen war. Denn es war sehr wohl Ansicht der Kurfürsten, daß sie „als die das
rechte Capitel im Reich sein und bei denen die Whale steth, irer keiserlichen
129 So auch Kleinheyer, S. 78
130 „Als nun dieser Extrakt also und durchaus verlesen, hat die Kön.Mt. gleich darauf, und noch in
beisein der Kay. potschafft selbst in gemein geredt diese meynung:“ (Aus der Mainzer Beschrei-
bung der Frankfurter Vorgänge, in HHStA Wien, MEA, WuKA 3, fol 19r)
131 HHStA Wien, RK, Rig 36, fol 7r-8r: „Rom. Khun. May. selbst Rede“; gedruckt bei Moser,
Staatsrecht 7, S. 38ff
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien