Seite - 229 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
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Der Frankfurter Staatsakt: Die Proklamierung Ferdinands zum Kaiser 229
Sinne ihrer weitestgehenden Weisung zu erklären, es bestehe keine Aussicht,
beim Kaiser eine Änderung seines Entschlusses zu erreichen138.
Ferner zogen sie nun ihre eigentliche Instruktion hervor, in der Karl V. seine
vollständige Abdankung in Gestalt einer ausschließlich auf seinem Willen und
seiner Machtvollkommenheit beruhenden Erklärung bekanntgab139: Danach
sollten seine Bevollmächtigten vor den sieben Kurfürsten erscheinen und den
König Ferdinand, dem auf Grund seiner Wahl als nächstem Nachfolger die
Herrschaft im Reich „one mittel und unwidersprechlich zusteet“, „in unserm
namen und an unser stat“ die Regierung und den Kaisertitel vollständig „ab-
tretten, auftragen, ubergeben, resignieren und zustellen und dann auch zu die-
sem effect“ die Kurfürsten und anderen Reichsstände von allen Pflichten gegen
Karl entbinden und sie damit an den Römischen König „als iren rechten aini-
chen naturlichen herrn, haupt und obrigkeit weisen“; der Kaiser ordnete end-
lich an, daß jedermann verpflichtet sei, sich nach der öffentlichen Bekanntma-
chung der Herrschaftsübergabe nach diesem Dekret zu richten und Ferdinand
den schuldigen Gehorsam zu leisten.
Die Anhäufung der Worte für die direkte Übergabe ließ keinen Raum für eine
Anhörung oder auch nur gutachtliche Äußerung der Kurfürsten geschweige
denn für eine Mitwirkung. Karl V. hat nicht im geringsten daran gedacht, die
Herrscherwürde in ihre Hände zurückzulegen. Nur die Verfügung, die öffentli-
che Verkündung der Resignation und Herrschaftsübertragung an Ferdinand
solle in ihrem Beisein erfolgen, trug ihrer Sonderstellung bei einer Königserhe-
bung Rechnung.
Es waren die protestantischen Kurfürsten, die dafür sorgten, daß diese An-
ordnung sowie der Umstand, daß Ferdinand um den Rat des Kurkollegs gebe-
ten hatte, genutzt wurden, um ihre Mitwirkung, ja sogar Mitbestimmung bei
der Übertragung des Kaisertums deutlich zu betonen. Angedeutet war diese
Position schon in der Rückfrage an die Gesandtschaft durch die Danksagung
dafür, daß der Kaiser „nit gemainet, der churf. recht und gerechtigkeit im we-
nigsten zu schmelern“140. In den Beratungen am folgenden Tag (1. März 1558)
war es nur noch Nebensache, daß man die Abdankung Karls als solche hin-
nehmen wollte. Die Mehrheit zweifelte auch nicht an Ferdinands Bereitschaft,
die Kaiserwürde voll zu akzeptieren. Dem Vorschlag des Kurfürsten von Trier,
als nächstes die Erklärung des Königs einzuholen, ob er entgegen seinen bishe-
rigen Verlautbarungen zur Übernahme des Kaisertitels bei Lebzeiten des Bru-
ders bereit sei, widersetzten sich die drei Protestanten. August von Sachsen
erinnerte an Ferdinands Bemerkung, er habe sich nach seinen vergeblichen Ver-
suchen, Karl umzustimmen, zu brüderlichem Gehorsam bereit erklärt. Gegen
138 HHStA Wien, ebda, fol 9v-10v; Druck bei J.W. Hoffmann 1, S. 32f. Gegen Leeb, Reichstagsge-
schehen, S. 240, ist festzuhalten, daß kein Anlaß für sie bestand, eine andere Auskunft zu geben,
d.h. die Alternativen des Stufenplans auch nur anzudeuten.
139 Besiegeltes Original im HHStA Wien, MEA WuKA 4, fol 21: auf dem unteren Rand ist der
wesentliche Rechtsinhalt in lateinischer Sprache notiert – Karl konnte immer noch nicht genü-
gend Deutsch. Abschrift in RK Rig 36, fol 10v-12v; Druck bei J.W. Hoffmann 1, S. 33–37
140 HHStA Wien, MEA, WuKA 4, fol 19v; im Entwurf hatte zunächst gestanden: „ihre autoritet
und preeminenz zu derogiern“.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien