Seite - 230 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
Bild der Seite - 230 -
Text der Seite - 230 -
Kapitel 3: Die Übernahme des Kaisertums
1556/58230
eine Bemerkung des Trierer Erzbischofs, eigentlich hätte Kaiser Karl bis zu
seinem Tode im Amt bleiben müssen, brachte Ottheinrich die beanspruchte
kurfürstliche Führungsrolle zum Ausdruck, das Kaisertum „den churfursten
ufzutragen und zu ubergeben“, sei durchaus statthaft. Doch war das so ja nicht
geschehen, und darum übten August von Sachsen und Joachim von Branden-
burg Kritik am Verfahren des Kaisers: Es hätte, meinte Joachim II., dem Kaiser
„wol angestanden, bevor sie resignation furgenomen, das sie churf. darundter
ersucht hetten und nit allein konig.“ Da die Erhebung zum König Vorsorge für
den Fall des Todes des Kaisers habe treffen sollen, es sich jetzt aber um eine
Nachfolge bei Lebzeiten des Kaisers handele, sei es „ratsamer und nutzlicher,
das churf. dis werk in der handt behielten und konig rath geben und nit konig
umb erclerung ersucht, damit also durch rathe der churf. zu dem andern stand
langte“141.
Diese Position setzte sich im wesentlichen durch. Als Signal dafür, daß dieser
Herrschaftswechsel von den üblichen verschieden sei, wollten die Kurfürsten
Ferdinand eine neue „Obligation“142 präsentieren, und sie verständigten sich
darauf, die Wahlkapitulation Ferdinands von 1531 und auch diejenige Karls V.
von 1519 als Beratungsgrundlage zu nehmen143. Indessen scheinen die Katholi-
ken die Absichten, die ihre protestantischen Kollegen damit in erster Linie
verfolgten, nicht sofort durchschaut zu haben. Sachsen und Brandenburg hatten
sich schon im Vorjahr geeinigt, daß die Kurfürsten vor ihrer Einwilligung in die
Resignation „die königliche Majestät also vorfasseten, daß sich die Stende des
Reichs der Religion oder anders halben von irer königlichen Majestät nichts zu
befaren“144. Die Protestanten wollten also die Verankerung des Augsburger
Religionsfriedens in der neuen Obligation Ferdinands erreichen. Außerdem war
es ein Anliegen Ottheinrichs, die bisherige enge Bindung des Reichsoberhaup-
tes an das Papsttum wenigstens zu lockern, und die beiden Kollegen gewährten
ihm immerhin verbale Unterstützung. Beide Forderungen wurden in der ersten
Arbeitssitzung der kurfürstlichen Räte am Vormittag des 2. März bei der Bera-
tung der beiden ersten Artikel der Vorlagen, die Karl bzw. Ferdinand zum
Schutz des päpstlichen Stuhls (Art. 1) und zur Einhaltung der Goldenen Bulle,
des Landfriedens und der sonstigen Reichsordnungen (Art. 2) verpflichteten145,
141 HHStA Wien, MEA WuKA 4, fol 155v-162v: Protokoll zum 1.3.1558 (Hervorhebungen von
mir)
142 Da 1558 keine Wahl stattgefunden hat, scheint mir – im Unterschied zu Kleinheyer, Dotzauer
und Neuhaus – dieser Terminus angemessener.
143 Vgl. Kleinheyer, S. 73; zur Wiederentdeckung der bis ins 18. Jahrhundert der Jurisprudenz
unbekannten Wahlkapitulation Ferdinands von 1531 s. ebda. S. 70f. Zu den Gemeinsamkeiten
und Unterschieden der Kapitulationen von 1519 und 1531 Kohler, Antihabsburgische Politik, S.
188–192
144 Altmann, Vorgehen, S. 334 Ziff. 13 u. 14 (daraus das Zitat); vgl. Leeb, Reichstagsgeschehen, S.
241
145 Druck der Wahlkapitulation Karls V. in DRTA 1, Nr. 387, S. 864ff.; ein Exemplar der Wahlka-
pitulation Ferdinands von 1531 in HHStA Wien, RK WuKA 2, fol 322–329. Während Art. 2 in
beiden Texten wörtlich übereinstimmt, trug Art. 1 der Kapitulation von 1531 dem Umstand
Rechnung, daß Ferdinand zu Lebzeiten des Kaisers nicht „Advokat“ der Kirche sein konnte,
und nahm außerdem ausdrücklich Bezug auf den Abschied des Augsburger Reichstages von
1530.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien