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Ferdinands „Anderer Fürtrag“ in Frankfurt 247
Ferdinand beklagte erstens die Bedrohung des Landfriedens im Reich, weil
etliche unruhige Stände, darunter leider auch Fürsten, sich durch „Praktiken“
des französischen Königs zu Truppenwerbungen verleiten ließen, die gegen
Philipp II. gerichtet seien235. Daß es im letzten Jahr als Folge des Krieges zwi-
schen Spanien und dem Papst in Italien ebenfalls Truppenwerbungen im Reich
– aber zugunsten Philipps – gegeben hatte236, erwähnte er zwar auch, erklärte
den Fall aber für erledigt, weil dieser Konflikt inzwischen beigelegt war. Als
besonders gefährlich bewertete er die Umtriebe der Ritter Wilhelm von Grum-
bach und Wilhelm von Stein, die nicht nur Frankreich zuziehen wollten, son-
dern angeblich planten, Franken, Teile von Bayern und seine eigene Markgraf-
schaft Burgau zu brandschatzen237. Grumbach, früher in würzburgischen Dien-
sten, danach Gefolgsmann des inzwischen verstorbenen Markgrafen Albrecht
Alkibiades, lag schon seit Jahren im Streit mit dem Würzburger Bischof Mel-
chior Zobel, der Güter des Ritters beschlagnahmt hatte238. Eben im März 1558
reichte Grumbach bei den Kurfürsten – wie schon vorher bei Ferdinand – eine
Supplik ein, in der er sich beklagte, daß ihm der Bischof seine Güter weiter
vorenthalte, obwohl das Reichskammergericht ihn vom Vorwurf des Landfrie-
densbruchs freigesprochen habe239.
Wenn Ferdinand die Kurfürsten dazu befragte, wie solche Bedrohungen der
öffentlichen Ordnung im Reich abgestellt werden könnten, war als Antwort
schwerlich mehr als ein Verweis auf die 1555 beschlossene Handhabung des
Landfriedens durch die Reichskreise zu erwarten. Indirekt beinhaltete dieser
Punkt eine Kritik Ferdinands daran, daß die Exekutionsordnung dem Kaiser zu
wenig Handlungsspielraum ließ, seinerseits Maßnahmen gegen Friedensstörer
einzuleiten. Zugleich mußte Ferdinand damit einräumen, daß das von ihm vor
Jahresfrist erlassene Verbot sämtlicher „Vergarderungen“ sowie des Eintritts in
Kriegsdienste gegen das Reich, den Kaiser oder einen Reichsstand (und das war
Philipp II. als Herr der Niederlande trotz aller Differenzen um die Auslegung
des Burgundischen Vertrages in Ferdinands Augen immer noch) wirkungslos
geblieben war240. Mit der Klage über Fürsten, die sich als Söldnerführer betä-
tigten, berührte Ferdinand ein Problem, das die Kurfürsten anders beurteilten,
wie ihre Gravamina dokumentierten, die dem König bei der Ausarbeitung des
„andern Fürtrags“ aber noch nicht vorgelegen hatten.
Zweitens erwähnte Ferdinand die nach dem völligen Scheitern des Wormser
Colloquiums eingetretene Situation in der Religionsproblematik. Er bedauerte
den Mißerfolg, stellte fest, daß sich nunmehr wieder der Reichstag der Sache
annehmen müsse, deutete an, daß er selbst weiterhin an dem Ziel festhalten
235 fol 47r-48v
236 Fürsten, die als Truppenführer in Diensten Philipps II. standen, nennt Ritter, Geschichte 1, S.
100.
237 Vgl. auch Heidenhain, Beiträge, S. 33f.
238 Vorgeschichte bei Beck 1, S. 407ff; vgl. Press, Grumbach, S. 399ff; Chr. Bauer, S. 550ff
239 HHStA Wien, MEA, RTA 44b, fol 320r-321r: Supplik Grumbachs v. 10.3.1558 an die Kurfür-
sten; fol 323r-326v: Supplik Grumbachs an Ferdinand (undatiert, Kopie); dazu Beck 1, S. 439,
Ortloff 1, S. 123, Chr. Bauer, S. 563.
240 HHStA Wien, RK RTA 39, fol 36: Königliches Mandat, Regensburg, 15.3.1557 (Druck)
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien