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Kapitel 3: Die Übernahme des Kaisertums
1556/58252
oder Vertagung auf den Reichstag zuneigten; da die Räte sich nicht einigen
konnten, hatten sich die Kurfürsten selbst auf den Ferdinand unterbreiteten
Vorschlag verständigt268 und die Erwartung hinzugefügt, daß Ferdinand sich als
neuer Kaiser auch um die Restituierung anderer dem Reich verlorengegangener
Herrschaften kümmern werde; er möge dem Reichstag eine Liste vorlegen,
damit darüber beraten werden könne269.
Erstaunlich ist die Schnelligkeit, mit der Ferdinand antwortete; schon am
nächsten Tag war die schriftliche Erwiderung fertig, so daß sich die Frage stellt,
ob er von den kurfürstlichen Positionen schon vorher Kenntnis hatte. Dennoch
müssen er und seine Mitarbeiter unter Hochdruck gearbeitet haben, denn zwi-
schen den Übergaben der beiden Schriftstücke fanden die Proklamationsfeier
und anschließend das Bankett statt. Zasius’ Klage über Arbeitsüberlastung –
„dan die kais. Mt. uns warlich unsauber einweichet in disen iren angeenden
kaisertumb“ – wird dadurch begreiflich270.
Eine eigene politische Initiative der Reichsstände gegenüber Frankreich hielt
Ferdinand allerdings für inopportun271. Er hatte selbst in den letzten Monaten
erwogen, eine Friedensvermittlung zwischen Heinrich II. und Philipp II. zu
unternehmen; Herzog Albrecht von Bayern hatte sich zur Durchführung ge-
winnen lassen, denn Ferdinand hielt es für untunlich, selbst etwa durch Beauf-
tragung eines Sohnes zu stark in den Vordergrund zu treten. Der Gedanke war
indessen bei seinem Neffen auf keine Gegenliebe gestoßen, so daß er ihn wenige
Wochen vor der Frankfurter Tagung fallen gelassen hatte272. Eine Gesandt-
schaft nach Frankreich zu diesem Zeitpunkt hätte nur Mißtrauen bei Philipp
geschürt, aber das mochte Ferdinand den Kurfürsten natürlich nicht offenba-
ren. Hinzu kam die reichspolitische Sorge, dadurch würde der Weg frei zu al-
lerlei unerwünschten Verbindungen, die den Habsburgern zum Nachteil gerei-
chen könnten273. So nutzte er die Empfehlung der Kurfürsten, die Restitution
verlorener Reichsgebiete im allgemeinen auf die Tagesordnung des Reichstages
zu setzen, um auch die Angelegenheit der lothringischen Bistümer dorthin zu
vertagen. Die Anregung zu einer Vermittlung zwischen den beiden Westmäch-
ten quittierte er mit der Bemerkung, sie gerne befolgen zu wollen, „wo sich
anderst bey dem khunig zu Frannkhreich ainicher bestendigen haltung eines
friedens zu verhoffen“274. Bezeichnenderweise hielten die Kurfürsten in ihrer
Duplik an der Auffassung fest, jetzt sei die Gelegenheit für einen solchen Vor-
stoß günstig, weil Frankreich sich in Bedrängnis befinde, was zur Zeit des
268 Ebda, fol 253r/v u. fol 259r-260v
269 Antwort der Kurfürsten, fol 72v/73r
270 Goetz, Beiträge, S. 106: Zasius an Herzog Albrecht, 20.3.1558
271 Die Gründe, die Krause, S. 13 dafür anführt, sind unzutreffend; ebensowenig hatte Ferdinand
Neigung, auf spanischer Seite in den Krieg einzutreten, wie sie S. 19 behauptet.
272 Vgl. dazu Goetz, Beiträge, S. 94 u. 99; s. auch Kapitel 10, S. 620f
273 Vgl. dazu das Schreiben Ferdinands an Philipp vom 20.3.1558 bei Maurenbrecher, HZ 50, S. 54
Anm. 1
274 Ferdinands Replik in HHStA Wien, RK Rig 36, fol 73v-79r (Kopie, das Zitat fol 77r); dgl. ebda,
MEA WuKA 4, fol 89r-94v
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien