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Kapitel 4: Der Streit mit Papst Paul IV. – Neue Begründung des
Kaisertums262
„neuen Wahl“ notorische Häretiker beteiligt gewesen, die das nur katholischen
Kurfürsten zukommende Kurrecht verwirkt hätten. Von Ferdinand erwarte der
Papst das Bekenntnis, übel gehandelt zu haben und Gnade zu bedürfen, dann
werde die Mutter Kirche dem Bußfertigen ihren Schoß nicht verschließen. Das
Mandat Karls V. sei zur Überprüfung nach Rom zu senden, danach stehe es
beim Papst, Ferdinand zu approbieren. Es wäre denkbar, daß der Mainzer
Kurfürst Daniel Brendel dadurch in seiner Neigung bestärkt worden ist, sich
aus dem Konflikt herauszuhalten – dem Ersuchen Ferdinands um Aktenkopien
ist er trotz wiederholter Erinnerung nicht nachgekommen, eine letzte Mahnung
im November hat er mit der lahmen Entschuldigung beantwortet, die ge-
wünschten Papiere seien nicht aufzufinden40. – Dennoch dürfte jene als „Zei-
tung“ kursierende Vereinfachung und Zuspitzung der päpstlichen Position
Ferdinand die Abwehrarbeit erleichtert haben. Bei manchen Protestanten hatte
Gúzmans Mission zunächst große Befürchtungen erweckt, ein neues Bündnis
zwischen Kaiser und Papst zu ihrer Bekämpfung könne angebahnt werden41.
Ihre Erleichterung läßt sich an der von Zasius berichteten übermütigen Emp-
fehlung Herzog Christophs ablesen, der Kaiser möge sich um den Papst nicht
kümmern, die Protestanten würden ihm dann zur Krönung und zu einem ge-
nehmen Papst verhelfen, der auch die Religionsvergleichung fördern würde42.
Das offene Zerwürfnis zwischen Papst und Kaiser mochte manchen nach-
denklichen Katholiken mit Sorge erfüllen, und es hat nicht an Versuchen ge-
fehlt, Paul IV. zu einer versöhnlicheren Haltung zu bewegen. Vermutlich nach
Aufforderung durch den Kardinalnepoten Carlo Caraffa hat der ehemalige
Nuntius in Wien Delfino im Herbst 1558 eine lange Expertise über die in Rom
kritisierten politischen Handlungen Ferdinands vorgelegt43, die durchgängig
von der Tendenz geprägt war, den Habsburger zu entlasten; denn Delfino
stellte die Umstände so dar, als ob jener sich stets in Zwangslagen befunden und
darum Dinge akzeptiert habe, die vom kirchlichen Standpunkt aus nicht zu
billigen seien. Delfinos Ausführungen zeugen von Kenntnis der amtlichen Ver-
lautbarungen der Habsburger und der Reichstage und sind im allgemeinen
sachlich zutreffend. Er referierte die in Ferdinands Frankfurter Erklärungen
angeführten Aktionen, Karl V. umzustimmen, und kam zu dem Ergebnis, Fer-
dinand habe das Kaisertum übernommen, weil Karl sich auch von den Kurfür-
sten nicht von seinem Verzicht habe abbringen lassen. In Passau habe Ferdi-
nand im Auftrag Karls gehandelt, der den Vertrag auch ratifiziert habe. In
Augsburg sei er, von Karl allein gelassen, protestantischen Pressionen – Delfino
erwähnte die Naumburger Resolution vom März – ausgesetzt gewesen, die
40 Krause, S. 41 Anm. 6; die dort angegebenen Daten sind teilweise ungenau. Ferdinands Mahnung
v. 15.11.1558 in HHStA Wien, RK RTA 43, fol 26–28.
41 So z.B. Philipp v. Hessen (vgl. sein Schreiben an Kurfürst August bei Heidenhain, Beilage, S.
10); ähnlich auch Herzog Christoph (Ernst, Bw. 4, S. 551), obwohl er es besser wissen mußte.
42 Goetz, Beiträge, S. 129. Zasius schreibt dazu, er habe das zuerst für einen Witz gehalten. Vgl.
auch Ernst, Bw. 4, S. 544
43 Jetzt maßgeblicher Druck in NB I 17, S. 372–391. Anstatt der dortigen Datierung auf Januar
1559 halte ich die von Lutz, Reformatio, S. 226 angenommene (ca. September 1558) für wahr-
scheinlich, zumal bei allen Nennungen Karls V. sein Tod keinmal erwähnt wird.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien