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Kapitel 4: Der Streit mit Papst Paul IV. – Neue Begründung des
Kaisertums272
kaiserlichen Gewalt konkretisiert, mit einer Ausnahme: er darf in dieser Eigen-
schaft notfalls ein Generalkonzil berufen107. Aussagen über das Verhältnis des
Kaisers zu den anderen weltlichen Herrschern finden sich in dem Gutachten
leider nicht – wohlweislich nicht.
In der folgenden, 13 Punkte umfassenden, eingehenden Zurückweisung so-
wohl der kurialen Interpretation der Lehre von den zwei Schwertern im
Grundsätzlichen wie auch daraus abgeleiteter Ansprüche im einzelnen, die die
Beschränkung des Papsttums auf die geistliche Sphäre untermauern soll, stecken
gelegentlich noch positive Aussagen über das kaiserliche Amt. Zunächst ent-
zieht Seld der päpstlichen Berufung auf die uneingeschränkte Herrschaft Chri-
sti im Himmel und auf Erden als Begründung für den eigenen umfassenden
Anspruch den Boden mit der Bemerkung, „daß Christus der herr in seiner
menschlichen natur sich gar khaines weltlichen gewalts, weder in actu noch
habitu, angenomen“, und mehr als ihm stehe dem Papst gewiß nicht zu; unter
Berufung auf Baldus fügt Seld hinzu, Stellvertreter Christi im „zeittlichen Re-
giment“ sei der Kaiser108. Ferner attackiert er die „geistliche“ Auslegung der für
die Theorie zentralen Bibelstelle aus Luk. 22,35–38109: Es habe sich doch um
zwei „materlische“ [sc. materielle] Schwerter gehandelt, und Jesu Bemerkung
„satis est“ sei ironisch gemeint gewesen110; aber selbst wenn die beiden
Schwerter das geistliche und das weltliche bedeuten sollten, folge daraus kei-
neswegs, daß Petrus und seine Nachfolger beide haben sollten, „sonder das ain,
nemlich das weltlich gehöret ainem Rho. Khayser zu“; hierzu führt Seld die
Interpretation von Röm. 13 in der Glossa ordinaria an und verweist außerdem
auf Innozenz III.111
Für den aktuellen Streit war die kuriale Kombination der Lehre von den
zwei Schwertern mit der Theorie von der „Translatio Imperii“ von Bedeutung,
weil sie eine alte Begründung für den Anspruch bot, der Papst habe über die
Vergabe des Kaisertums zu verfügen, zumindest mitzubestimmen112. Die mit-
telalterliche Translationstheorie war bei den deutschen Humanisten in der er-
sten Hälfte des Jahrhunderts durchaus geschätzt, weil sie die Verbindung des
deutschen Königtums mit dem Kaisertum begründete, in der man eine der
Grundlagen für den Ruhm des deutschen Volkes sah113. Auch Seld hielt an ihr
fest und brachte zur Zurückweisung der kurialen Interpretation keine neuen
Argumente114. Grundzüge seiner Argumentation sind die Reduzierung des
päpstlichen Anteils an der Übertragung auf ein Minimum und die Betonung der
Tatsache, daß seither die Vergabe der Kaiserwürde bei den Deutschen liege.
107 s. Anm. 84 u. 85
108 fol 48r-v/ S. 184. So schon im „Somnium viridarii“ (vgl. Merzbacher, S. 65); Seld nennt diese
Quelle hier aber nicht.
109 Auch das war im 14. Jahrhundert schon von mehreren Autoren vorgetragen worden; vgl. Levi-
son, S. 39f.
110 Als Gewährsmann dafür nennt er den byzantinischen Exegeten Theophylactus (11. Jh.). Auf
eine moderne Auslegung mit dieser Tendenz verweist Levison, S. 26.
111 fol 49v/ S. 184
112 Diese Position haben die meisten der von Paul IV. bestellten Gutachten eingenommen.
113 Vgl. Klippel, S. 131; Goez, S. 248
114 Zum folgenden fol 28r-29v/ S. 176 und fol 51v-54r/ S. 185
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien