Seite - 274 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
Bild der Seite - 274 -
Text der Seite - 274 -
Kapitel 4: Der Streit mit Papst Paul IV. – Neue Begründung des
Kaisertums274
benswandels unwürdig sei123. Aber er bestreitet entschieden, daß daraus ein
Recht auf Konfirmation durch den Papst oder gar eine Verfügungsgewalt ab-
zuleiten sei, denn die Prüfung habe keine rechtlichen Auswirkungen für die
Ausübung der Herrschaft. Dazu verweist er auf das Weistum von Rhense und
fügt als Quintessenz aus „Licet juris“ hinzu: „Quod Imperator electus nec Pa-
pae sive sedis Apostolicae aut alicuius alterius approbatione, confirmatione et
autoritate indigeat“124. Der entgegengesetzten Meinung von Castaldus hält er
die schon von Lupold von Bebenburg ins Feld geführte Praxis entgegen, daß bei
der Wahlanzeige nur um die Krönung, nicht aber um Konfirmation nachge-
sucht werde125. Die Frage, ob der Papst den Kaiser absetzen könne, wird von
Seld nach einem Rückblick auf die historischen Absetzungen deutscher Könige
damit beantwortet, das sei „vorzeiten“ zwar vorgekommen und von den deut-
schen Reichsständen auch gutgeheißen worden, später aber von den Kurfürsten
allein vorgenommen worden, so daß es jetzt allenfalls auf Antrag der deutschen
Stände bzw. der Kurfürsten geschehen könne126. Keinesfalls hätten die früheren
Beispiele Rechtsfolgen im Sinne einer Verfügungsgewalt des Papstes, wofür er
wiederum einen kurialistischen Kommentator bemüht, diesmal Johannes de
Torquemada127.
Folgerichtig hält er unter Bezugnahme auf den Kurfürstentag von Rhense die
kuriale Ansicht für unannehmbar, daß der Kaiser erst nach der päpstlichen
Zustimmung regieren und der Kaisertitel nur mit päpstlicher Erlaubnis geführt
werden dürfe128. Das Gegenteil sei richtig. Wenn Karl V. und andere Vorgänger
sich im letzteren Punkt anders verhalten hätten, so wären sie womöglich unzu-
treffend unterrichtet worden, hätten aber damit kein für das Reich nachteiliges
Präjudiz schaffen können129. Die durch die Dekretale „Romani principis“ ins
kanonische Recht gelangte Behauptung einer päpstlichen Lehnshoheit über das
Kaisertum130 tut Seld damit ab, daß der vom Kaiser zu leistende Eid sich nur
auf seine Schutzfunktion als Advocatus ecclesiae beziehe131.
Der Kaiserkrönung spricht Seld jegliche rechtliche Bedeutung ab und erklärt
sie zur reinen Zeremonie132. Man könne das daran erkennen, daß manche deut-
sche Herrscher als Kaiser gezählt werden, obwohl sie nicht gekrönt worden
waren oder die Krönung abgelehnt hatten, und andererseits einige Frauen mit-
gekrönt worden seien133. Der Papst könne aus seiner Funktion als Koronator
keinerlei Rechte ableiten; Seld führt den Beweis damit, daß auch andere Herr-
scher von Bischöfen gekrönt würden, ohne daß dem Koronator daraus Rechte
123 fol 32v/ S. 178 und nochmals fol 54r/ S. 185; vgl. Ritter, Geschichte 1, S. 144
124 fol 33v/ S. 178
125 fol 33r-v/ S. 178; vgl. Barisch, S. 310
126 fol 39r/ S. 180
127 fol 58r/ S. 187; Seld kürzt ab: Johannes de Turre. Zu diesem vgl. Schulte 2, S. 322ff; Jedin, Konzil
1, S. 19–22.
128 fol 34r / S. 178; dgl. 74vff /S. 193f
129 fol 54v/ S. 185
130 Zur Genesis vgl. Hugelmann, S. 116ff
131 fol 57r/ S. 187. Genauso Lupold, vgl. Barisch, S. 312f, und Roselli, vgl. Eckermann, S. 82.
132 Vgl. Schwendenwein, S. 120.
133 fol 36v/ S. 179f u. fol 56r/ S. 186
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien