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Weitere Gutachten 283
die Grundzüge der kurialen Position im Reich bekannt wurden186, hat Ferdi-
nand anscheinend ein zweites Gutachten, das sich mit den römischen Argu-
menten auseinandersetzen sollte, und später aus gegebenen Anlässen noch wei-
tere Expertisen bei seinen gelehrten Räten angefordert. An mehreren war der
Humanist und Professor der Rechte in Wien Philipp Gundelius beteiligt187, so
an einer ausführlichen Denkschrift in lateinischer Sprache „in negocio Imperii
adversus objecta Papae“, die als Gemeinschaftsarbeit von vier nicht namentlich
genannten Wiener Gelehrten vorgelegt worden ist188. Als weitere Verfasser
werden Georg Gienger und Georg Eder, ebenfalls Professor der Rechte in Wien
und Mitglied des Reichshofrats, vermutet189, zumal es in der Argumentation
Parallelen zu zwei anderen, von Gundelius und Eder bzw. Gundelius und
Gienger gemeinsam verfaßten Gutachten gibt, die mit jener Arbeit zu einem
Codex vereinigt sind190. Als vierter Autor kommt der Wiener Rechtsprofessor
Stephan Hauptmann191 in Frage, wenn sich ein Schreiben Ferdinands aus Augs-
burg an Gundelius, Eder und Hauptmann, in dem er den Empfang eines be-
stellten Gutachtens über seine Kontroverse mit dem Papst mit vielen lobenden
Worten bestätigt, auf diese Arbeit bezieht192. Aus dem Wortlaut der Denk-
schrift geht nicht eindeutig hervor, ob es sich um eine Auftragsarbeit gehandelt
hat; dafür spricht jedoch, daß die Autoren anscheinend Kenntnis von der In-
struktion für Martin Gúzman und von dessen Ansprache vor dem Papst hat-
ten193. Die Expertise unterscheidet sich von Selds Abhandlung dadurch, daß ihr
Aufbau von irgendeiner schriftlichen Fassung der päpstlichen Vorwürfe und
Forderungen – die „vier Doktoren“ sprechen von „Decreta“ – bestimmt wird.
Sie konzentrieren sich darauf, die päpstlichen Positionen und Ansprüche Punkt
für Punkt zu widerlegen bzw. als unbegründet zurückzuweisen194. Dabei stüt-
zen sie sich fast ausschließlich auf die Bibel und auf das kanonische Recht, nur
gelegentlich auf wenige renommierte Kommentatoren wie Baldus oder Autori-
täten wie Augustinus oder Nicolaus von Cues, während die grundsätzlichen
reichsrechtlichen Entscheidungen des 14. Jahrhunderts, deren sich Seld zu sei-
ner Argumentation so häufig bedient hat, von ihnen nicht herangezogen wor-
den sind. Vermutlich haben einige eigentümliche Argumente es dem Kaiserhof
186 Vgl. oben S. 261 mit Anm. 39
187 Zu Gundelius: L. Geyer in ADB 10, S. 124f, Goldmann, S. 171.
188 ÖNB Wien, Codex Vindobonensis Palatinus 8727, fol 1–33r: Primum scriptum quattuor Doc-
torum Viennensium in negocio Imperii adversis objecta Papae.
189 So die Zuweisung durch die Österreichische Nationalbibliothek; ebenso Hopfen, S. 46 Anm.
127, der Eder mit Fragezeichen versah und für den vierten Autor keine Vermutung äußerte. Zu
Eder: Goldmann, S. 63f, Aschbach 3, S. 85f u. 167ff, Gschließer, S. 108f
190 Ebda, fol 34r-44r und fol 45r-57r. Bei allen drei Arbeiten steht jeweils auf der letzten Seite von
anderer Hand der Vermerk: „Opus [oder: labor] et munus Philippi Gundelii D.“ Von dieser
Hand stammt außerdem eine Ergänzung auf fol 32r. Ich schließe daraus, daß Gundelius feder-
führend war oder die Endredaktion hatte.
191 Zu Hauptmann einige Angaben bei Aschbach 3, S. 83 u. S. 170
192 HHStA Wien, Rom Varia Karton 2 Konv. 1559, fol 9r: F. an Gundelius, Eder und Haubtmann
[sic!], Augsburg, 3.3.1559
193 fol 2v/3r
194 Irrtümlich legen die Autoren am Anfang dem amtierenden Papst den Namen Julius IV. bei (fol
2v)
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien