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Kapitel 4: Der Streit mit Papst Paul IV. – Neue Begründung des
Kaisertums288
Ferner stellen die vier Autoren fest, weitergehende Maßnahmen des Papstes
gegen Ferdinand, vergleichbar denen seiner Vorgänger gegen die Kaiser Hein-
rich IV., Friedrich II. und Ludwig IV. – also Absetzung und Exkommunikation –,
ermangelten jeglicher Grundlage im kanonischen Recht, ebenso die Kassie-
rung der Ergebnisse des Frankfurter Tages oder die Aufstachelung fremder
Fürsten zum Angriff in Italien222. Eine umständliche Beweisführung, daß der
Papst auch nach kanonischem Recht nicht in eigener Sache Richter sein könne,
wird mit der konziliaristischen Auffassung abgerundet, das Konzil stehe über
dem Papst, und auf Augustinus gestützt223. Der Kaiser habe das Recht, gegen
einen Ärgernis erregenden Papst ein Konzil einzuberufen, ohne sich um kuriale
Zustimmung bemühen zu müssen. Weil das aber als „remedium extremum“
anzusehen sei, plädieren die Räte stattdessen für einen Appell des Kaisers an das
nächste Konzil. Vermutlich zur Beschwichtigung von Skrupeln Ferdinands
wird betont, das wäre keine die Ehrerbietung gegenüber dem apostolischen
Stuhl tangierende Handlung224. Der nachgeschobene Hinweis, die päpstlichen
Waffen Bann und Interdikt seien längst, vor allem durch Mißbrauch, stumpf
geworden und würden von den meisten Fürsten verachtet225, sollte ihrem
Herrn wohl die Sorge vor einem Verlust an Prestige nehmen und leitet über zu
einer letzten fundamentalen Kritik an der die eigene Stellung übersteigernden
und dadurch den apostolischen Auftrag verfehlenden Haltung Pauls IV., die in
dem Verdikt gipfelt, dieser Papst folge nicht den Spuren Christi, sondern des
ehrgeizigen Bonifaz VIII.226
So kommen die vier Gutachter zu dem Ergebnis, die eigentlich nichts Neues
beinhaltenden Ansprüche des Papstes entsprächen nicht dem Willen Christi
und der Meinung der alten Kirche; Kaiser Ferdinand dürfe trotz der päpstlichen
Anklagen ein gutes Gewissen haben und könne sich mit dem göttlichen und
menschlichen Recht verteidigen227. –
Der Traktat eines gewissen Lud. Mirandulanus, der die Rechtmäßigkeit der
Abdankung Karls V. und eventuelle Konsequenzen für den Nachfolger und die
Kurfürsten erörterte und die päpstlichen Ansprüche wissenschaftlich zu unter-
mauern suchte, ist von Ferdinand ebenfalls einigen Räten zur Begutachtung
übergeben worden228. Die Stellungnahme von Gundelius und Eder ist erst ver-
faßt worden, nachdem der Tod Karls V. in Wien bekannt geworden war (also
frühestens Ende November 1558)229. Zu den zentralen Fragen der Resignation,
des Rechtes Ferdinands auf die Nachfolge, der Bedeutung der Krönung bietet
222 Zum Folgenden fol 27v-29v
223 fol 29v
224 Ebda.
225 fol 30r/v
226 fol 31v-32r
227 „His et similibus rationibus et argumentis videtur nobis Maiestas Caesarea adversus illa duo
scripta papalia se posse in praesentiarum quo ad conscientiam consolari, et in casu necessitatis
defendere tamquam jure divino atque humano...“ (fol 32v).
228 ÖNB Wien, Codex Vindobonensis Palatinus 8727, fol 34r-44r. Die Gutachter Gundelius und
Eder bemerken eingangs, der Name des Autors sei in ihrer Vorlage nicht vollständig gewesen
(fol 35r). Ich vermochte ihn nicht zu identifizieren.
229 fol 40r/v wird Karls Tod durch die übliche Gedächtnisformel angedeutet.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien