Seite - 299 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
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Zur Reaktion der „Öffentlichkeit“ im Reich 299
dens sieht er seine Großzügigkeit bei geringfügigen Streitfragen mit seinen
Nachbarn. Endlich belehrte er seine Räte, die wegen außenpolitischer Be-
fürchtungen empfohlen hatten, das Konzil zu verschleppen, das würde seiner
kaiserlichen Pflicht ebenso widersprechen wie seinen langjährigen, aus Über-
zeugung von der Richtigkeit der Konzilslösung getragenen Bemühungen um
die Kirchenversammlung, und „krumme Wege“ werde er keineswegs gehen293.
Ferdinands persönliches Herrscherethos hat Busbecq, der im letzten Lebensjahr
des Kaisers als Prinzenerzieher am Hofe tätig war, überliefert: Er sei von Gott
nicht in das hohe Amt berufen worden, um sich zu vergnügen, sondern um die
Sorgen und Lasten der ihm anvertrauten Völker zu tragen, damit sie in Ruhe die
Früchte ihrer Arbeit ernten könnten294.
Die Vorstellungen Ferdinands vom Reich als Sacrum Imperium und vom
Kaiser als nominell höchster weltlicher Obrigkeit der Christenheit wurden zu
seiner Zeit im Reich noch allgemein akzeptiert, obwohl die beiden Konfessio-
nen nicht mehr dasselbe darunter verstanden, denn die protestantischen Kurfür-
sten verneinten die dazugehörige Kirchenadvokatie, die von Ferdinand und den
Katholiken verteidigt wurde295. Evangelische Fürsten betonten, als Römischer
Kaiser sei Ferdinand „das obrist haubt nit allein der Katholischen sonnder auch
der Augspurgischen Confessionsverwandten“296; es bedeutete keine Infrage-
stellung, wenn andere ihn gelegentlich als „loblichen Deutschen Keiser“ titu-
lierten297. In der Publizistik blieb die „sakrale Schau des Reichs und der Reichs-
gewalt Gemeingut“298. Dem Urteil Rankes, als Folge der zu Ferdinands Zeiten
eingenommenen Rechtsposition habe die Kaiserwürde ihre „allgemeine christli-
che europäische Bedeutung“ verloren und sei „vollkommen eine deutsche“
geworden299, hat Heinrich von Srbik – m.E. zu Recht – entgegengehalten, „die
Kaiser aus habsburgischem Geschlecht blieben, so weit es in ihrer Macht lag,
dem kirchlich-religiösen Einheitsprinzip verschrieben“300.
Zur Reaktion der „Öffentlichkeit“ im Reich
Die Angriffe Pauls IV. auf Ferdinands Kaisertum haben nach ihrem Bekannt-
werden im Reich manche Feder und Druckerpresse in Bewegung gesetzt. Es ist
jedoch bemerkenswert, daß sich Juristen zunächst kaum daran beteiligt haben,
das rechtliche Verhältnis zwischen Kaisertum und Papsttum und das Wesen des
Reichs nach der Teilung des Imperiums Karls V. neu zu bestimmen301.
293 Ebda, S. 164f u. S. 168f
294 Busbecq, S. 369; Huussen, S. 281
295 Vgl. Luttenberger, Kirchenadvokatie, S. 218f, sowie unten Kapitel 9, S. 601.
296 BHStA München KÄA 2046, fol 420r/v (aus einem Schreiben von Zasius an F., 4.10.1560, Äu-
ßerungen Friedrichs III. von der Pfalz und Christophs von Württemberg wiedergebend)
297 HHStA Wien, RK Rig 42a (unfol.): Antwort der Kurfürsten August und Joachim sowie des
Markgrafen Hans v. 1.3.1560 auf die Werbung des kaiserlichen Gesandten Hassenstein.
298 Vgl. Heckel, Parität, S. 291; Fritzemeyer, S. 56f
299 Ranke, Über die Zeiten, S. 39
300 Srbik, S. 45f
301 E. Wolf, Idee, S. 69
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien