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Kapitel 5: Der Reichstag in Augsburg
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sichtlich vermied97, erhellt aus den Bemerkungen in der Resolution, eine
gründliche Prüfung im einzelnen (particulariter) würde sehr langwierig werden
und eingehender juristischer und historischer Erwägungen bedürfen, der Kaiser
wolle aber selbstverständlich in so schwierigen Fragen nichts übereilen oder die
Parteien „an ihren habenden Rechten und Gerechtigkeiten verkürtzen“.
Während beide Gravaminaschriften schon dahin tendierten, den Augsburger
Religionsfrieden als Fundament für die zukünftige Rechtsstellung der Religi-
onsparteien im Reich zu nehmen, sah Ferdinand I. darin eben nur eine Über-
gangslösung – wenn auch von unbestimmter Dauer – auf dem Wege zu dem
noch immer festgehaltenen Ziel, die Glaubenseinheit im Reich (und in der Chri-
stenheit) wiederherzustellen. Es ist bedeutsam, daß er seine Hoffnung auf das
Universalkonzil vor seiner ersten Antwort auf die Gravamina zum Ausdruck
brachte. Auf die Indizien, die in naher Zukunft verbesserte Aussichten für ein
Konzil möglich erscheinen lassen mochten, wurde bereits hingewiesen98. So
konnte Ferdinand derzeit weder eine den Religionsfrieden präzisierende und
damit tiefer im Reichsrecht verankernde Diskussion brauchen, noch lag es in
seinem Interesse, durch eine Stellungnahme zugunsten einer Religionspartei die
andere zu verprellen. Genug, daß er den erneuten Stoß der Protestanten gegen
den Geistlichen Vorbehalt abweisen mußte. Natürlich stand er der katholischen
Auffassung näher, denn die Wahrung des Status quo, soweit es nur möglich
war, war seit 1555 ein Grundzug seiner Politik99.
Die Katholiken konnten gleichwohl mit diesem Bescheid zufrieden sein, die
Protestanten waren es begreiflicherweise nicht. Sie gerieten aber wenige Tage
später durch einen von Eberhard von der Thann, der jetzt die ernestinischen
Herzöge von Sachsen vertrat, verschuldeten Eklat in eine mißliche taktische
Lage. Thann attackierte im Fürstenrat in scharfer Form, daß ein Geistlicher –
der Merseburger Bischof Michael Helding – als Präsident des Reichskammerge-
richts fungierte, und spitzte seine Position in einer schriftlichen Vorlage durch
Angriffe auf den Papst und das Konzil von Trient so sehr zu, daß sich die Ka-
tholiken nicht nur beleidigt fühlten, sondern eine Verletzung des Religionsfrie-
dens konstatierten und kurzfristig sämtliche Beratungen des Reichstags boy-
kottierten100. In internen Beratungen wurde das provozierende Auftreten
Thanns von etlichen evangelischen Delegationen mißbilligt, zumal darin ein
Angriff auf eine vom Kaiser vorgenommene Ernennung enthalten war. Das
wurde nicht nur von Ferdinand selbst als unerhört empfunden, der mit Recht
darauf verweisen konnte, daß auch früher Bischöfe als „Kammerrichter“ fun-
giert hatten101. Da eine weitere Eskalation Ferdinands Interessen zuwiderlief,
97 Hierin lag der prinzipielle Unterschied zwischen dem Kaiser einerseits und beiden Konfessions-
parteien andererseits (ähnlich Luttenberger, Kurfürsten, S. 263f). Die Ansicht von Urban, Re-
stitutionsedikt, S. 135, der Kaiserhof habe das Kernproblem, den divergierenden „Verstand“ des
Religionsfriedens, nicht erkannt, teile ich nicht. Ebensowenig war Mangel an Mut das Motiv (so
Ritter, Geschichte 1, S. 228).
98 s. oben S. 325f
99 Erinnert sei an die Zasius-Initiative (Kapitel 1, S. 58ff). Ähnlich Heckel, Parität, S. 382f.
100 Zu dem Zwischenfall, dessen einzelne Phasen hier übergangen werden können, vgl. Wolf, Prote-
stanten, S. 200ff; Ernst, Bw. 4, S. 670ff, Luttenberger, Kurfürsten, S. 259ff.
101 So im Gespräch mit Kurfürst Friedrich, Kluckhohn Briefe 1, S. 83f
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien