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Die livländische Frage 345
stützen, wie das Reich sie zur Zeit aufbringen könne. Das Plenum des Fürsten-
rates akzeptierte die Vorschläge, wobei das Argument eine Rolle spielte, der
Kaiser habe mehrmals verlauten lassen, daß „nit ungut sein solte“, eine eilige
Botschaft nach Moskau zu schicken169.
Aber der Kurfürstenrat legte sich quer. Friedrich von der Pfalz hatte seine
Vertreter längst angewiesen, nach Kräften gegen eine Reichshilfe zu arbeiten,
weil die Stände nicht nur finanziell erschöpft wären, sondern das Reich immer
mehr in fremde Händel verwickelt werde; ehe man sich engagieren könne,
müßten der Ordensmeister und der Erzbischof von Riga sich aussöhnen, und
wenn sie das täten, würden die Livländer wohl stark genug zur Verteidigung
sein170. Die Kurfürsten von Mainz und Sachsen waren nicht hilfswilliger171.
Infolgedessen beharrte der Kurfürstenrat darauf, erst noch genaue Informatio-
nen einzuziehen, ob die Zwietracht in Livland weiter bestünde oder nicht. Der
Fürstenrat hielt dagegen, die Konflikte seien durch die Gesandten des Kaisers
und der Herzöge von Pommern beigelegt worden, womit sie das Abkommen
von Pozwol meinten, und die Hilfszusage sei erforderlich, um die Livländer
nicht so sehr zu entmutigen, daß sie sich den benachbarten Königen unterstell-
ten, machte aber schließlich die Konzession, das Wort „Hilfe“ durch eine Um-
schreibung zu ersetzen172. Dennoch kam man nicht zu einem Konsens, und das
Thema ruhte wiederum zwei Monate. Verantwortlich dafür war neben den
erwähnten Zwischenfällen, welche die Arbeit des Reichstages manchmal für
mehrere Tage blockierten, in erster Linie der Kurfürstenrat, der nach dem Ein-
druck der hessischen Vertreter die Sache „hengen“ ließ, so daß sie befürchteten,
die Livländer würden den Polen in die Arme getrieben173; man wußte, daß der
neue Ordensmeister Gotthard Kettler mit dem polnischen König in Verhand-
lungen stand174. Sieberg intervenierte daher nochmals direkt bei Ferdinand und
bat ihn um den Erlaß von Schreiben an die Könige von Spanien und Schweden
sowie die Hansestädte, damit sie den Russen keinen Proviant mehr lieferten,
und um die Ausstellung von Patenten, die zur Beschlagnahme solcher Lieferun-
gen berechtigen sollten. Letzteres wurde jedoch im Reichshofrat, dem der Kai-
ser den Antrag vorlegte, abgelehnt175.
Gegen Ende des Reichstages verstand sich die Mehrheit des Kurfürstenrates
doch dazu, eine Finanzhilfe von 100000 Gulden für Livland bereitzustellen, die
aber nur im Notfall ausgezahlt werden sollte. Im übrigen votierte man für den
billigsten Weg, nämlich ein Schreiben Ferdinands an den Zaren, mit der eher
naiv klingenden Begründung, man hoffe, der Kaiser „werde des ansehens bey
ihme dem Moscobiter seyn, daß dies ihr Mt. schreiben fruchtbarlich seyn
werd“, und für schriftliche Einladungen an die anderen christlichen Herrscher,
sich an einer gemeinsamen Intervention in Moskau zu beteiligen, über die der
169 Zum folgenden HStA Marburg, PA 1276, fol 152v-154r: Eintrag zum 22.5.1559
170 Kluckhohn 1, S. 64f
171 Reimann, Verhalten, S. 356f
172 HStA Marburg, PA 1276, fol 156r-158v: Eintrag zum 23.5.1559
173 Ebda, PA 1275, fol 81v: Bericht v. 10.6.1559
174 Stevenson 1, Nr. 824, S. 304: Bericht Mundts v. 7.6.1559 an Königin Elisabeth.
175 HHStA Wien, RHRP 17, fol 29r: Eintrag zum 28.6.1559
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien