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Kapitel 5: Der Reichstag in Augsburg
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länder säßen, was den Belangen des Reiches zum Schaden gereiche, und drei
Jahre später hatten die Reichstände daran erinnert, daß die im Passauer Vertrag
zugesagte Abhilfe noch nicht erfolgt sei. Ferdinand hatte damals nur verspre-
chen können, sich bei seinem kaiserlichen Bruder für eine Änderung einsetzen
zu wollen238. Durch die neue Reichshofratsordnung239 wurde sein bisheriger
Hofrat gleichsam zum kaiserlichen Hofrat befördert. Zum Präsidenten – bei
Karl V. war das zuletzt der jüngere Granvella gewesen – berief Ferdinand den
ihm längst als Rat verbundenen Grafen Karl von Zollern [1] und erfüllte damit
einen der ständischen Wünsche240. Zudem ließ er die Möglichkeit offen, wäh-
rend der Reichstage auch einen Fürsten mit dem Vorsitz zu betrauen [2]. Ge-
dacht war dabei in erster Linie an den Erzbischof von Mainz, dem in den wäh-
rend des Reichstages geführten Verhandlungen über seine Mitwirkung an der
Reichspolitik als Erzkanzler dieses Recht angeboten worden war241. Als
Grundlage für die Arbeit des Gremiums, die sich sowohl auf die Behandlung
von „Justiti und Parthey-Sachen“ als auch auf „statts-, landts und andere sa-
chen“ erstrecken sollte [7 und 8], also auch auf politische Themen, sollten die
Goldene Bulle, der Ewige Landfrieden, die Ordnungen des Reichskammerge-
richts, die Reichspolizeiordnungen und die Konkordate der Deutschen Nation
dienen [24]. Daß der Reichshofrat in der Praxis überwiegend mit Justitialsachen
befaßt wurde und unter späteren Kaisern in Konkurrenz zum Reichskammer-
gericht ein zweites höchstes Reichsgericht wurde, war durch die neue Ordnung
nicht programmiert; während der Regierungszeit Ferdinands wurde vor allem
bei Prozessen um Kirchengut noch Zurückhaltung beobachtet242. Wie weit das
Gremium von ihm mit Fragen der Reichspolitik und der Beziehungen zu ande-
ren Mächten befaßt worden ist, ist nicht eindeutig geklärt243. Die Mehrzahl der
politischen Probleme wurde wohl nicht im Reichshofrat, sondern in dem Ge-
heimen Rat besprochen244.
Im Unterschied zu den Belangen des Reichshofrates war die künftige Rege-
lung von Tätigkeit und Verantwortlichkeit der Reichskanzlei eine Angelegen-
heit, die zwischen dem Kaiser und dem Erzbischof von Mainz als Reichserz-
kanzler zu vereinbaren war. Kurfürst Daniel hatte schon in Frankfurt Ansprü-
che auf Mitwirkung angemeldet, über die nun während des Reichstages verhan-
delt wurde245. Ferdinand hatte zum Jahresende durch Tod seinen Hofvize-
238 Erinnerung der Stände 1555 und Ferdinands Antwort gedruckt bei Lehmann 1, S. 65f; vgl.
Rosenthal, S. 76f
239 Verfassungsgeschichtliche Würdigung bei Rabe, Reich, S. 479f. Moderne Edition von Sellert, S.
27–36. Ich gebe im Text die Ziffern der Abschnitte nach dieser Edition.
240 Graf Karl von Zollern war Obersthofmeister und zeitweilig Statthalter der Herrschaft Hohen-
berg. (So Zedler 13, Sp. 582); er hat sein neues Amt anscheinend nie ausgeübt (Gschließer, S. 93).
Im Mai 1561 berief Ferdinand den Bischof von Merseburg, Michael Helding, zum Präsidenten
(Bundschuh, S. 383).
241 Groß, S. 6
242 Smend, Reichskammergericht, S. 195
243 Beispiele nennt Gschließer, S. 5f, aufgrund der von Haller geführten Reichshofratsprotokolle,
wobei er auf die von Groß, S. 164–166 geäußerten Zweifel nicht eingeht.
244 s. Prolog, S. 19
245 Groß, S. 5ff, Krause, S. 30f
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien