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Das kaiserliche „Reform-Libell“ – eine erfolglose Initiative 437
mat vernünftigerweise tut, nämlich seinen Herrn umfassend zu informieren151.
Am Tage nach seiner Ankunft in Prag erstattete er im Geheimen Rat eingehend
Bericht über den Stand der Probleme in Trient152. Brus’ zu einer Denkschrift
verarbeiteten Ausführungen wurden neben der Demarche Delfinos zur
Grundlage für die Meinungsbildung am Kaiserhof, wie auf die negative Reakti-
on der Legaten geantwortet werden sollte.
Delfino war klug genug, die am stärksten überzogenen Forderungen der Le-
gaten nicht vorzutragen, zumal er sich in der mißlichen Lage befand, das Libell
ablehnen zu müssen, ohne es zu kennen153. Er konzentrierte seine Kritik auf das
Verfahren, daß der Kaiser weitreichende die Kirche betreffende Vorschläge
vorgelegt habe, ohne zuvor den Papst zu unterrichten, baute aber gleich im
ersten Gespräch die Brücke für den Kaiser, daß Teile des Libells dem Konzil
sicher vorgelegt werden könnten. Ferdinands erste Reaktion war geprägt vom
Befremden, wie seine gute Absicht derartig mißverstanden werden konnte154.
Er betonte nachdrücklich, er habe die im Libell enthaltenen Vorschläge dem
Konzil nur mitteilen, ihm aber keineswegs dadurch Vorschriften machen wol-
len. Den Tadel, sein Vorgehen sei eine für den Ablauf des Konzils verderbliche
Neuerung, konnte er nicht verstehen, den Vorwurf, im Libell werde die päpstli-
che Autorität angegriffen und dadurch Zwietracht zwischen Haupt und Glie-
dern gesät, nahm er samt der Anspielung auf das Konzil von Basel übel und
antwortete darauf, seine Kritik an der kurialen Praxis bei den Erhebungen zum
Kardinalat sei dem Nuntius seit zwei Jahren bekannt. Der anschließende Disput
darüber brachte keine Annäherung der Standpunkte, die Bemerkung Delfinos,
„quae sunt caesaris caesari, quae sunt dei deo, quae papae papae, quae sunt con-
cilii concilio“ quittierte Ferdinand mit der in diesem Fall wohl ironisch ge-
meinten Bemerkung, nichts anderes habe er intendiert.
Dennoch scheint Ferdinand verunsichert worden zu sein, worauf nicht nur
seine Bemerkung im zweiten Gespräch mit Delfino hindeutet, er wolle sich
natürlich dem Papste gehorsam erzeigen155. Verschiedene Bemerkungen Selds
in seiner Stellungnahme zu den Darlegungen von Brus und Delfino machen den
Eindruck, als habe er dem Kaiser Mut zusprechen wollen: Mit der Vorlage des
Libells habe der Kaiser keine schwere Sünde begangen; wenn er als höchster
Vogt und Verteidiger der Christenheit etwas fördere, was ihr Ansehen betreffe,
handele er pflichtgemäß; insbesondere habe er für Deutschland eine Fürsorge-
pflicht, zumal sonst niemand da sei, der die dortigen Krankheiten der Kirche
aufdecke156. Staphylus beanstandete in einem Gutachten zu Selds Arbeit die
151 Mehr gibt der von Steinherz (NB II 3, S. 84 Anm. 4) zitierte Brief von Brus an den Kardinal von
Mantua m.E. nicht her.
152 HHStA Wien, RHRP 20b, Eintrag zum 18.6.1562 (zitiert NB II 3, S. 84 Anm. 2); der erhaltene
Teil des schriftlichen Berichtes von Brus gedruckt bei Sickel, Konzil, S. 332ff, ein davon ge-
trenntes Bruchstück bei Kassowitz, S. XXI.
153 Zum folgenden sein Bericht v. 22.6.1562 (NB II 3, S. 69ff)
154 Ob Delfinos erstes Gespräch mit Ferdinand (am 18. Juni) vor dem Vortrag von Brus stattgefun-
den hat, der Kaiser also ohne Vorwarnung mit der Zurückweisung des Libells durch die Legaten
konfrontiert wurde, läßt sich nicht klären.
155 NB II 3, S. 72
156 CT 13, S. 686ff, bes. S. 688, Z. 17ff
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien