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Kapitel 7: Kaiser Ferdinand und die dritte Tagungsperiode des
Tridentinums490
er habe die Genehmigung vom Papst, das Konzil zu verlassen, wenn die kaiser-
lichen Oratoren das Konzil weiter stören würden499. Natürlich wies Brus diese
Anschuldigungen zurück und verteidigte den Anspruch des Kaisers, angemes-
sen in die Erörterung einer die Reichsrechte so erheblich berührenden Vorlage
einbezogen zu werden. Die Legaten beharrten unter Verweis auf die Stimmung
unter den Konzilsvätern darauf, das Fürstenkapitel auf keinen Fall auslassen zu
können. Als Zeichen guten Willens boten sie schließlich an, die abermals revi-
dierte Fassung durch Kurier zum Kaiser zu schicken und noch zehn Tage auf
die Antwort warten zu wollen – bei den damals möglichen Geschwindigkeiten
eine allzu knapp bemessene Frist, zumal Ferdinand gerade nach Preßburg zur
ungarischen Krönung Maximilians aufbrach. Die Oratoren nahmen das an trotz
erheblicher Unsicherheit, ob sie damit dem Willen Ferdinands genügten oder
wieder etwas falsch machten500. Am Ende entschuldigte sich Morone für seine
Ausfälle, er habe nicht den Kaiser persönlich treffen wollen, sondern diejenigen,
die ihn unsachgemäß berieten – eine nicht besonders würdevolle Abschwä-
chung.
Es bleibe dahingestellt, ob der gewiegte Diplomat Morone wirklich „die Fas-
sung verloren“501 oder aber eine „Schau“ veranstaltet hat502, weil er kalkulierte,
daß sein Ausbruch, über den die Gesandten ja eingehend berichten mußten,
Ferdinand beeindrucken werde, dessen Vertrauen zu den eigenen lauteren Ab-
sichten ihm bekannt war. Brus hatte jedenfalls den Eindruck, die Legaten hätten
schon vorher etwas gewußt. Bemerkenswert ist, daß Morone hinterher einen
Vertrauensmann zum erkrankten Bischof von Fünfkirchen sandte, der diesem
den Verlauf zu schildern hatte. Morone legte also großen Wert darauf, daß Fer-
dinand alles genau erfahre.
Der Prager Erzbischof war mutig genug, am nächsten Tag zu erkunden, ob
sich der drohende Eklat in Gestalt des Protestes noch abwenden ließ. In einer
zweiten Unterredung stellte er dem Konzilspräsidenten vor, die Aufhebung
aller den geistlichen Stand und sein Vermögen tangierenden Gesetze werde
auch den Religionsfrieden im Reich außer Kraft setzen und dort zum Religi-
onskrieg führen; bei einer Änderung und Abschwächung werde seiner Meinung
nach Ferdinand zustimmen – eine zumindest gewagte Prognose. Seine Frage an
Morone, ob jener wirklich etwas proponieren wolle, was nicht nur der Zu-
stimmung des Kaisers ermangele, sondern gegen dessen erklärten Willen sei,
blieb insofern nicht ohne Wirkung, als Morone nun dem am Vortag abgelehn-
ten Kompromißvorschlag – zu dem Brus gar nicht autorisiert war – nähertrat,
die Reformvorlage zwar als Ganzes einzubringen, die Verabschiedung aber auf
zwei Sessionen zu verteilen und damit Zeit für Verhandlungen mit den kaiserli-
499 Ein Bluff, denn er bat erst nach diesem Gespräch um ein entsprechendes Breve (Šusta 4, S. 203:
Legaten an Borromeo, 28.8.1563).
500 Sie hatten gerade für jene Teile ihrer Stellungnahme zum Reformentwurf, die in Wien nicht
gebilligt worden waren, einen Tadel erhalten, gegen den Seld vergeblich eingewandt hatte, er sei
zu scharf formuliert (wie Anm. 480, fol 206v: Randbemerkung Selds im Konzept, die durchge-
strichen ist; die Ausfertigung der Weisung ist nicht erhalten).
501 So Jedin, Konzil 4/2, S. 126
502 Dieser Deutung neigt Kassowitz, S. 255f, zu.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien