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Die Reformerwartungen zerrinnen 491
chen Gesandten zu gewinnen; denn inzwischen hatten die Vertreter Frank-
reichs, Spaniens und sogar Portugals signalisiert, in dieser Sache auf seiten des
Kaisers zu stehen503.
Indessen blieben diese Überlegungen noch intern. In dem Brief, den der
Konzilspräsident am Tag nach Brus’ Einspruch an den Kaiser schrieb504, wie-
derholte er zwar seine Entschuldigung für die überzogene Reaktion, vertrat
aber weiter die Position, die „reformatio principum“ sei ein unverzichtbares
Element der allgemeinen Kirchenreform, darum könne die Reformvorlage nur
in toto oder gar nicht proponiert werden, und bestritt, daß Rechte der Fürsten
verletzt würden. Wie schon im Gespräch mit Brus nahm er Ferdinand bei sei-
nem Wort, sich für seine Person allen vom Konzil beschlossenen Reformen zu
unterwerfen. Die Erwartung, der Kaiser werde bei ruhiger Prüfung des inzwi-
schen gegenüber der ersten Fassung mehrfach korrigierten Kapitels selbst zu
der richtigen Einsicht kommen, beinhaltete immerhin das Zugeständnis, daß
der erste Entwurf unzulänglich gewesen war. Viel Zeit zur Erwägung gestand
Morone allerdings nicht zu, vielmehr suchte er Ferdinand einen Tag später mit
einem weiteren Brief unter Druck zu setzen, in dem er die Frist von acht bis
zehn Tagen als großes Entgegenkommen darstellte und um eine schnelle Ent-
scheidung ersuchte, weil die Verantwortung für jede Verzögerung in Trient
allein ihm, Morone, angelastet werde505.
Auffällig ist, daß Morone seinem ersten Brief an Ferdinand die gar nicht zur
Sache gehörende Mitteilung anhängte, er habe sich soeben beim Papst für die
Konfirmation Maximilians als Römischer König verwendet506. Morone kannte
das in den letzten Wochen von Delfino entwickelte Projekt, zwischen den
Habsburgern und der Kurie ein Tauschgeschäft zustande zu bringen, in dem
Rom bei der Approbation Maximilians Zugeständnisse machen, der Kaiser
dafür die umgehende Beendigung des Konzils hinnehmen sollte507. Wollte der
Legat dem Kaiser signalisieren, für Einlenken in der neu aufgebrochenen
Streitfrage könne er die Erledigung der älteren erlangen? Denn in seinem
gleichzeitigen Schreiben an Borromeo bestätigte er zwar Delfinos Einschätzung
der Haltung Ferdinands, warnte aber davor, die Zustimmung zum Konzils-
schluß, wie es Delfino vorschwebte, als Preis für ein päpstliches Entgegenkom-
men zu nennen508.
Ferdinand ignorierte den Wink und quittierte Morones Fürsprache nur mit
einer knappen höflichen Danksagung509. Dessen Reaktion auf seine Kritik
nahm er mit Befremden auf. Die Oratoren erhielten umgehend genaue Anwei-
sung, was sie zur Rechtfertigung des Kaisers vorzubringen hatten, falls sie zum
503 Šusta 4, S. 203ff: Legaten an Borromeo, 28.8.1563
504 Morone an F., 28.8.1563 (vollständig bei Constant, Légation, S. 241ff; mit einigen Lücken bei
Sickel, Konzil, S. 588ff)
505 Constant, Légation, S. 245 Anm. 8: Morone an F. 29.8.1563
506 wie Anm. 504
507 Näheres im Kapitel 9, S. 613
508 Constant, Légation, S. 245ff: Morone an Borromeo, 28.8.1563. In Rom wurde diese Empfehlung
indessen nicht befolgt.
509 In seiner Antwort v. 12.9.1563 (Constant, Légation, S. 258)
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien