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Bemühungen um Konzessionen neben und nach dem Konzil 515
wünschte er eine Anknüpfung an die Religionsgespräche von Augsburg,
Worms und Regensburg, soweit sie Übereinstimmungen festgestellt hatten, und
er erstrebte nichts Geringeres, als eine für seine Erblande und Bayern verbindli-
che Basis für die religiöse Unterweisung zu schaffen, die alle theologischen
Kontroversen, „welche doch im grund one das dem gemeinen mann ganz un-
verstendlich und villeicht also meistenthails zu erlangung der selen seligkeit
unnotwendig“, ausklammern sollte, damit „die christlich gmain allain in der ler
und in den ceremoniis auferzogen wurd die zu gutter erbauung gehorig“. Die
Folgerung, „solches alles solt zu aufhebung allerhant spaltungen und daraus
wachsenden zanks haders und misstrauens auch zu widerbringung des stands
und der rainigkeit der alten christlichen kirchen fast dienstlich sein“, brachte
Ferdinands grundsätzliche, dem theologischem Streit abholde Überzeugung
und sein Verständnis von seiner Aufgabe als Kaiser noch einmal bündig zum
Ausdruck. Ein weiteres Motiv enthüllte Seld den Theologen in der nächsten
Sitzung: Der Kaiser wünsche die Arbeit auch, weil die niederösterreichischen
Stände während des letzten Landtages so sehr auf der Zulassung der Augsburgi-
schen Konfession insistiert hätten, daß er ihnen Hoffnung auf ein gewisses Ent-
gegenkommen habe machen müssen671. Darum sollte die Arbeitsgruppe die
Confessio Augustana artikelweise unter Heranziehung des Regensburger Bu-
ches von 1541 und des Interims von 1548 auf Gemeinsamkeiten in der Lehre
überprüfen672.
Die theologischen Mitglieder waren Bischof Urban von Gurk als Vorsitzen-
der, der Bischof von Wiener Neustadt Christian Noppen, Sitthard, der Wiener
Professor Leonhard Villinus673 sowie als Vertreter Bayerns der Münchner
Dechant Anton Bartolome und der Ingolstädter Professor Martin Eisengrein674.
Außerdem sollten auf Ferdinands Wunsch seine beiden engsten Berater in der
Religionspolitik, Seld und Gienger, daran teilnehmen. Die Federführung bei der
vergleichenden Arbeit wurde unglücklicherweise Eisengrein übertragen, der
dem Grundgedanken äußerst kritisch gegenüberstand und fest entschlossen
war, sich streng an den Beschlüssen des Tridentinums zu orientieren675. Daher
stellt sich die Frage, ob die Gründe für die Vertagung um drei Monate, die Seld
am 15. Mai verkündete, vollständig waren – er nannte die Verschlechterung im
Befinden Ferdinands und die Notwendigkeit, nochmals mit dem Papst über die
Priesterehe zu verhandeln, weil deren Bewilligung Voraussetzung für den Er-
folg der beabsichtigten Maßnahme sei676 –, oder ob auch die Einsicht, daß die
versöhnliche Intention mit Eisengrein kaum zu realisieren war, ein Motiv gewe-
sen ist.
Erleichterung“ „durch Ihrer Kays. Maj. selbst Authorität und Anordnung“ zu verschaffen (Le
Bret, S. 226ff: Maximilian an Christoph, 8.4.1564).
671 Bericht Eisengreins (s. Anm. 669)
672 Ein Exemplar der Confessio Augustana, in dem die seit 1530 vorgenommenen Änderungen am
Rand notiert waren, stellte Maximilian zur Verfügung.
673 Von Holtzmann, S. 521, als „eifriger Gegner der Jesuiten“ charakterisiert.
674 Ferner war Witzel eingeladen worden, der aber aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Wien
kam.
675 Vgl. die Bemerkungen Delfinos über die Mitglieder (NB II 4, S. 109).
676 So Seld an Herzog Albrecht, 17.5.1564 (Goetz, Beiträge, S. 302f).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien