Seite - 559 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
Bild der Seite - 559 -
Text der Seite - 559 -
Der Grumbach-Skandal und der Wormser Deputationstag 1564 559
friedens in Norddeutschland, bei der die Kreisverfassung nicht funktioniert
hatte, zum Anlaß für eine Erörterung auf Reichsebene über wirksamere In-
strumente zur Durchsetzung des Landfriedens zu nehmen. Darin unterschied
man sich am Kaiserhof von Herzog Albrecht, der unmittelbar nach Grumbachs
Anschlag die Ansicht vertrat, während das Versagen der Kreisordnung am Tage
liege, würde der Landsberger Bund, wenn er noch durch ein paar friedliebende
Fürsten verstärkt würde, genügend abschreckende Wirkung auf alle potentiel-
len Friedensstörer haben316. Doch war eine Wiederaufnahme der einen oder
anderen Variante der letzten Bundesprojekte – Würzburg brachte erneut den
parallelen Bund am Rhein in Vorschlag317 – jetzt, da das Trienter Konzil been-
det wurde, nicht opportun, wie die Innsbrucker Regierung in einem Gutachten
unter Verwertung älterer Argumente warnte: die Beteiligung Hessens und der
Pfalzgrafen an einem überkonfessionellen Bündnis sei nicht zu erreichen, und
ein neuer rheinischer Bund, zumal unter Einschluß der Niederlande, werde sie
wieder fürchten lassen, daß man ihnen die Konzilsdekrete aufzwingen wolle,
„wie sie dann alles arkwons voll seien und ain jedes rauschent blat fürchten“318.
Welchen Eindruck die erstmals geäußerten Zweifel, ob überkonfessionelle
Bünde dem allgemeinen Frieden überhaupt förderlich seien, da doch kein be-
ständiges Vertrauen zwischen den Mitgliedern aufkäme, und ob Sonderbünde
mit der Exekutions- und Kreisordnung vereinbar seien, auf Ferdinand gemacht
haben, muß dahingestellt bleiben. –
Wie erwähnt hatte Ferdinand den Mainzer Kurfürsten sofort um die Einbe-
rufung eines Deputationstages ersucht, obwohl eine solche Initiative des Kaisers
in der Exekutionsordnung nicht vorgesehen war319. Zur Begründung hatte er
ausgeführt, die Kräfte einzelner Kreise reichten gegenüber diesen Friedensbrü-
chen offenbar nicht aus, außerdem seien neue Unruhen zu befürchten, weshalb
unverzüglich über bessere Gegenmaßnahmen nachgedacht werden müsse320. Er
ließ sich mithin von der im Amt des Reichsoberhaupts liegenden höchsten Ver-
antwortung für den Landfrieden leiten. Als der zögerliche Mainzer nähere In-
formationen wünschte, konnte Ferdinand nicht nur auf die Entrüstung vieler
Fürsten über den Gewaltstreich Grumbachs verweisen, sondern nutzte die
unter ihnen verbreitete Furcht vor einer allgemeinen Revolte des Adels als zu-
sätzliches Argument321. Er ließ in seine Erwiderung den Hinweis auf „Reden“
einrücken, „als solten ettliche andere mehr von adel im werck seyn ainen an-
dern gehorsamen fürsten des reichs gleichergestalt zu uberziehn“, zudem hätten
mehrere Kurfürsten geäußert, man könne jene Sache (den Fall Grumbach) nicht
durchgehen lassen322. Das war wahrscheinlich übertrieben, jedoch gelang Fer-
dinand und Maximilian ein Schulterschluß mit August von Sachsen, der sich
316 Albrecht an August v. Sachsen, 15.10.1563 (Goetz, Beiträge, S. 270)
317 Goetz, Beiträge, S. 274; ebda Anm. 1 Ferdinands zurückhaltende Reaktion.
318 HHStA Wien, RK Rig 35, fol 707r-714r: Gutachten v. 7.12.1563 (Längere Passage bei Goetz,
Beiträge, S. 275f)
319 Erdmann, Ferdinand I., S. 23 mit Anm. 2
320 Neuhaus, Repräsentationsformen, S. 465
321 Dazu Press, Grumbach, passim; Goetz, Beiträge, S. 278 Anm. 2
322 HHStA Wien, RHRP 21, fol 168r/v: Eintrag zum 6.11.1563
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien