Seite - 575 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
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Vorgeschichte und Problematik des Vorhabens 575
scharfen persönlichen Zusammenstößen geführt31. Die Streitigkeiten zwischen
Ferdinand und Maximilian blieben natürlich nicht geheim und boten jahrelang
Stoff für Klatsch und Spekulationen32.
Man wird wohl einen Vater-Sohn-Konflikt anzunehmen haben, der primär
auf dem religiösen Feld ausgetragen wurde. Aber auch an politischen Entschei-
dungen Ferdinands übte Maximilian damals in Briefen an befreundete Fürsten
herbe Kritik, und den Streit mit Rom kommentierte er, es geschehe seinem
Vater ganz recht33. Es sei dahingestellt, welches Gewicht daneben einerseits der
Verbitterung Maximilians über seine von den spanischen Verwandten betriebe-
ne Zurücksetzung bei der 1551 vereinbarten Sukzessionsregelung beizumessen
ist34 und andererseits seiner Aussperrung aus demjenigen Herrschaftsbereich,
von dem er seinen Titel besaß: Böhmen. Zwar hatte Ferdinand 1549 auf Drän-
gen des Kaisers, der für den Gemahl seiner Tochter eine Rangerhöhung
wünschte, die böhmischen Stände veranlaßt, Maximilian als künftigen König
„anzunehmen“35. Jedoch hatte Maximilian sich verpflichten müssen, sich jegli-
chen Eingriffs in die Regierung des Landes zu enthalten36. Statt seiner betraute
Ferdinand seinen zweiten Sohn, Erzherzog Ferdinand, mit der Aufgabe, dort
als sein Statthalter zu fungieren. Als Maximilian Ende 1559 – vergeblich – die
Regierung in Böhmen für sich verlangte37, verstieß er gegen die frühere Abma-
chung. Zwei Aspekte dürften Ferdinand zu diesen Maßnahmen bewogen ha-
ben: Einmal galt es, vor allem in der Zeit der familiären Spannungen, zu verhin-
dern, daß Maximilian für seinen Aktionsdrang eine Basis erhielt, die ihm einen
politischen Eigenweg ermöglicht hätte, was Böhmen, das in Ferdinands Herr-
schaftsbereich ja eine Sonderstellung einnahm, zu bieten vermochte. Ferner galt
es, der Möglichkeit vorzubauen, daß die Ständeopposition, die Anfang 1547
nach dem Tod seiner Gemahlin Anna Jagiellonica erklärt haben soll, nun sei
nicht mehr Ferdinand König von Böhmen, sondern Annas erstgeborener Sohn
Maximilian38, in Wiederaufnahme dieser These den jungen ehrgeizigen Mann
für ihre Ziele einspannen konnte39.
Indessen hat jener Konflikt keineswegs zur Folge gehabt, daß Ferdinand sei-
nem Sohn jegliches Vertrauen entzogen hätte. Zwar ließ er ihn nicht an den
31 Drastische Schilderungen – aber aus zweiter Hand und daher mit Vorsicht zu benutzen – bei
Gindely, Quellen, S.132ff, S. 140ff, S. 172ff, S. 184; außerdem Maximilians Briefe aus dem Jahr
1559 an Hans von Küstrin (C. Meyer, Briefwechsel, S. 127 u. S. 132).
32 Erwähnt sei die dem Trend entgegengesetzte Äußerung des Bischofs Otto von Augsburg, er
könne Maximilians Festhalten an Pfauser auch so deuten, „das es Ew. Ko. W. allein auf einen
schein thetten, damit Ew. Ko. W. nach absterben der Kay. Mt. die kayserliche hoheit zu sich
bringen und erlangen möchten, es könt aber Ew. Ko. W. wol felen“ (HHStA Wien, RK RTA 43,
fol 221r/v: Warnsdorf an Maximilian, Augsburg 27.6.1559).
33 Maximilian an Herzog Christoph, 29.7.1558 (Ernst, Bw. 4, S. 542); an Herzog Albrecht, 6.9.1558
(W. Goetz, Beiträge, S. 129 Anm.)
34 Das diskutiert Edel, Kaiser, S. 77ff.
35 Dazu mehrere Briefe zwischen den Brüdern bei Druffel 1, S. 141, 152, 171, 181, 203, 204
36 Turba, Thronfolgerecht, S. 292; Dillon, S. 152
37 VD 3, S. 129f: Bericht Soranzos v. 3.1.1560
38 Bretholz, Neuere Geschichte, S. 174 aufgrund von NB I 9, S. 504 u. S. 529; Eberhard, Monar-
chie, S. 429
39 Zu den Kontakten der Opposition zu Maximilian vgl. Pánek, Maximilian, S. 58ff
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien