Seite - 576 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
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Kapitel 9: Die Sicherung der Nachfolge im
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beiden Reichstagen in Regensburg und Augsburg teilnehmen40; es ist verständ-
lich, wenn er bei der großen Bedeutung der Religionsfrage den protestantischen
Ständen keine Chance bieten wollte, den Sohn gegen den Vater auszuspielen.
Zu anderen wichtigen Regierungsgeschäften zog er ihn in den fraglichen Jahren
dagegen stets heran. Zwischen 1556 und 1561 wurde Maximilian mit etlichen
wichtigen Aufgaben betraut: Erinnert sei an die delikate Mission, mit Kaiser
Karl die Modalitäten der Herrschaftsübertragung zu besprechen. Ihm oblag die
Koordinierung der Verteidigung an Ungarns Grenzen gegen Türken und Sie-
benbürgen. Ihm wurde die Leitung mehrerer Landtage übertragen. Er hatte
sicherheitspolitische Fragen vertraulich mit Herzog Albrecht von Bayern zu
erörtern41. Obwohl er die Erfolgsaussichten des Konzils skeptischer beurteilte
als der Kaiser, gab es in dieser gewichtigen politischen Frage des Jahres 1560
keine wesentlichen Divergenzen zwischen Sohn und Vater. Die Voten des Ge-
heimen Rates, die seine Aufgabenbereiche betrafen, wurden ihm, wenn er vom
Hofe abwesend war, zur Stellungnahme mitgeteilt, bei Anwesenheit nahm er an
den Sitzungen teil42.
Darum sollte man jene Spannungen nicht überbewerten, wozu die ältere For-
schung tendiert hat. Einzelne emotionale Äußerungen Ferdinands, die teils von
Maximilian, teils nur aus zweiter Hand überliefert sind, wiegen leicht gegenüber
den Tatsachen, daß Ferdinands langfristige Planung auf Maximilian als Nach-
folger ausgerichtet war und er die entscheidenden Schritte eingeleitet hat, längst
ehe der Zwist über die Religion beigelegt war. Ferner wurde bereits darauf hin-
gewiesen, daß anläßlich der Werbungen zugunsten der „spanischen Sukzession“
Maximilian von seinem Vater wie von seinem Onkel als ein künftiger Römi-
scher König und Kaiser empfohlen worden war. Zwar lebte von den damals
amtierenden Kurfürsten nur noch Joachim II. von Brandenburg, aber die Tatsa-
che war allgemein bekannt. Außerdem war Maximilian derjenige Habsburger,
dem infolge seiner Ehe mit der ältesten Tochter Karls V. unter bestimmten
Umständen, nämlich im Falle eines schnellen Aussterbens der männlichen
Nachkommen Karls, die Verfügung über den Gesamtkomplex der Macht des
Hauses zufallen würde, denn im damals abgeschlossenen Ehevertrag war – ab-
weichend von der Regel – der Braut das Sukzessionsrecht in Spanien erhalten
worden43. Selbst beim Beginn der Verhandlungen mit den Kurfürsten über die
Nachfolge lag das Eintreten dieser Situation noch immer im Bereich des Mögli-
chen.
Schließlich aber ist zu bedenken: Ferdinand hatte gar keine ernsthafte Alter-
native zu Maximilian. Seit dem Frühjahr 1559 wußte der Kaiser, daß sein zwei-
ter Sohn, Ferdinand, vor zwei Jahren heimlich mit der Augsburger Patrizier-
tochter Philippine Welser die Ehe geschlossen, sich also unstandesgemäß ver-
40 Maximilian beklagte sich darüber bei Herzog Christoph (Ernst, Bw. 4, S. 229).
41 Goetz, Beiträge, S. 45: F. an Albrecht, 1.9.1556
42 Vgl. das bei Hopfen, S. 57f, zitierte Zeugnis von Zasius; zahlreiche Vermerke, daß sein Votum
eingeholt werden soll, im Protokoll des Geheimen Rates für die Jahre 1561 bis 1563 (HHStA
Wien, RHRP 20b).
43 Rassow, Tochter, S. 165
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien