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Vorgeschichte und Problematik des Vorhabens 585
werden eingesetzt – so die Warnung vor der Wahl von Ausländern, die deut-
sche Abstammung Maximilians, die Gefährdung der ostdeutschen Territorien
durch die Türken, wenn Österreich in Ermangelung von Reichshilfen die
„Vormauer der Christenheit“ in Ungarn nicht mehr halten könne; ferner wird
die Wahl vivente imperatore mit historischen und politischen Argumenten als
notwendig, durchaus üblich und zulässig gerechtfertigt. Andererseits kann die
Denkschrift nicht am Kaiserhof formuliert worden sein, denn sie vereinnahmt
Maximilian für die Protestanten und warnt die evangelischen Kurfürsten davor,
im Falle einer Vakanz würden die geistlichen nur einen „Papisten“ wählen
wollen; die geistlichen Kurfürsten wiederum werden darauf verwiesen, zu Leb-
zeiten des Kaisers und jener Kurfürsten, „die der religions halben moderatio-
res“, werde man leichter zu einer einmütigen Wahl kommen als später, was für
sie angesichts der Hinneigung ihrer Untertanen zur neuen Lehre nur von Vor-
teil sein könne.
Wenn Ferdinand die Kaiserwürde dem Hause Habsburg erhalten wollte und
die katholische Präponderanz im Reich bewahrt werden sollte, wurde die Auf-
gabe jetzt dringlich, die Nachfolgefrage zu seinen Lebzeiten nach seinen Vor-
gaben zu regeln. Soeben hatten in Naumburg die protestantischen Fürsten ge-
meinsam die päpstliche Einladung zum wieder einberufenen Konzil in Trient
schroff zurückgewiesen104. Das bedeutete aber, daß die von Ferdinand immer
noch erstrebte Wiederherstellung der Glaubenseinheit im Reich kaum noch
Chancen hatte, mit anderen Worten: Die konfessionelle Spaltung würde noch
länger andauern und mit ihr die Teilung im Kurkolleg. Ob bei einer Thronva-
kanz die knappe katholische Mehrheit die Oberhand behalten würde, war ja
keineswegs sicher. Theoretisch genügte es, wenn die drei protestantischen
Kurfürsten nur einen ihrer geistlichen Amtskollegen auf ihre Seite brachten,
sofern sie einen anderen oder gar einen evangelischen Kaiser durchsetzen woll-
ten. Und selbst wenn sie für Maximilian votieren würden, konnten sie ihm
leichter weitgehende Zugeständnisse in der Religionsfrage abzwingen, wenn die
Autorität des kaiserlichen Vaters nicht mehr hinter ihm stand.
Im Zusammenhang mit dem für Ende April 1561 geplanten, dann aber abge-
sagten Kurfürstentag waren Spekulationen aufgekommen, dort solle ein Römi-
scher König gewählt werden – die Rede war vom König von Dänemark –, die
bis nach Rom gedrungen sind105. Auch andere vermeintliche Kandidaten für die
Königswürde wurden kolportiert und sind von der Forschung mit großer Auf-
merksamkeit registriert worden. Indessen sind die Fragen zu stellen, welche
Substanz diese Gerüchte hatten und welches Gewicht Ferdinand ihnen beige-
legt hat. Die bloßen Nachrichten besagen wenig, denn die meisten Diplomaten
hielten sich wohl für verpflichtet, auch nicht Nachprüfbares zu melden106. Bis-
spricht, daß dem Pfälzer Kurfürsten eine abweichende Position zugetraut wird; andererseits war
so viel Überzeugungsarbeit im Frühjahr 1562 kaum mehr nötig.
104 s. dazu Kapitel 6, S. 410f
105 Sickel, Konzil, S. 197f: Arco an F., 10.5.1561
106 Die von Duchhardt, Kaisertum, S. 61ff, ausgewerteten Quellen zur potentiellen Kandidatur
Friedrichs von Dänemark stammen überwiegend von den päpstlichen Nuntien Delfino und
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien