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Kapitel 10: Kaiser Ferdinand I. im europäischen
Kräftespiel626
des Konzils durchzusetzen61, nötigte Bochetel und seine Herrin zu Dementis
gegenüber den deutschen Habsburgern, ihr Projekt habe keineswegs eine Liga
zur Unterdrückung der Gegner des katholischen Glaubens intendiert62. Das
„Gipfeltreffen“ der führenden katholischen Herrscher mit dem Papst kam nie-
mals zustande.
Südostpolitik
Ferdinands Südostpolitik ist mehrschichtig. Im Vordergrund stand das Verhält-
nis zum Osmanischen Reich, das von der Sorge vor Aktionen dieses mächtigen
und gefährlichen Nachbarn gekennzeichnet war. Neuerdings ist wahrscheinlich
gemacht worden, daß Sultan Süleyman I. (der Prächtige) gar kein Expansions-
konzept hatte63. Dann wäre Ferdinands Türkenpolitik ein Beispiel dafür, in
welchem Maße eine Fehleinschätzung politisch wirksam werden kann, denn er
ging von der Prämisse aus, daß die Türken grundsätzlich eine aggressive Politik
verfolgten64. Weil er diesem Gegner allein nicht gewachsen war, bemühte er
sich fortwährend, Polen, den Nachbarn Ungarns im Norden und der böhmi-
schen Nebenländer im Osten, in die Abwehrfront gegen die Türken einzubin-
den und den polnischen König zu guten Diensten im Konflikt mit den Zapolya
zu bewegen. Die Rivalität um die ungarische Krone zwischen Ferdinand und
der vom Sultan protegierten siebenbürgischen Woiwodenfamilie Zapolya war
ein die Beziehungen zur Pforte nachhaltig belastender Faktor. So sind mehrere
ineinander verschlungene Stränge zu verfolgen.
Ferdinands Türkenpolitik als Kaiser war die „Erbschaft“ einer vor Jahr-
zehnten getroffenen Entscheidung. Als er Ende September 1526 vom Unter-
gang seines Schwagers, des Königs Ludwig von Ungarn, in der Schlacht von
Mohács erfahren hatte, zögerte der junge Erzherzog nicht, sich als der nächste
Anverwandte um die Nachfolge sowohl in Böhmen, wo er Erbansprüche seiner
Gemahlin Anna geltend machte, als auch in Ungarn und dessen Nebenländern
zu bemühen. Er tat diese wichtigen Schritte, ohne vorher die Zustimmung sei-
nes kaiserlichen Bruders einzuholen65. Der damals Dreiundzwanzigjährige
wußte oder ahnte wenigstens, welche Risiken mit jener Nachfolge verbunden
waren, erkannte darin aber seine ihm von Gott übertragene herrscherliche Auf-
gabe. Er zeigte sich entschlossen, angesichts der dem Hause Österreich und der
ganzen Christenheit drohenden Gefahr, „die berührten Unseren Lande und
Leute mit allem Unseren Vermögen von solcher Last, Drang und der türkischen
61 Marcks, S. 43f u. S. 318f
62 Bochetel an Karl IX., 12. 10.1563 (Le Laboureur 2, S. 325f); gutgeheißen in Antworten der
Regentin und des Königs v. 9.11.1563 (ebda, S. 326f bzw BN Paris, Cinq cent Colbert, Nr. 390,
S. 229–232).
63 Káldy-Nagy, passim
64 Dazu auch Eberhard, Monarchie, S. 170ff
65 Rill, Fürst, S. 231 interpretiert Ferdinands erste Mitteilung über Mohács als „Dokument tiefer
Depression“. Ich deute es als Versuch, den Bruder durch zugespitzte Darstellung der drohenden
Gefahr für Christenheit und Habsburgerherrschaft zu eindeutiger Unterstützung zu bewegen.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien