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Südostpolitik 627
Tyrannei zu entschütten, zu retten und zu beschirmen“66. Nach seiner Wahl
zum König von Böhmen schrieb er an Karl, er bete darum, „que ce puist estre
pour le bien et augmentacion de la christienté et conversation de nostre foi ca-
tholique“67. Noch ehe er selbst als König von Ungarn und Kroatien68 in die
vorderste Front trat, war ihm bewußt geworden, daß der Frieden in der Chri-
stenheit Voraussetzung für die erfolgreiche Abwehr der Türken war und daß
auch die Kräfte des Reiches dafür eingesetzt werden mußten69. Von Anfang an
vermischten sich dabei Sendungsbewußtsein und rationale politische und mili-
tärische Überlegungen. Die konkurrierenden Zapolya pflegte Ferdinand als
unzureichenden Schutz für die Christen zu diskreditieren70. Die relative Tole-
ranz der Osmanen wurde nie zur Kenntnis genommen, sondern nur die bei
Kriegszügen verübten „Greueltaten“, die propagandistisch – etwa in Proposi-
tionen – zugunsten der eigenen Position ausgewertet wurden. Zur Instrumenta-
lisierung der verbreiteten Türkenfurcht gehörte auch, die Erfolge der Osmanen
als Strafe Gottes für den Verfall der Sitten und die Ausbreitung der „Häresien“
zu interpretieren71.
Daß der Kampf gegen die Ungläubigen, ihre Zurückdrängung sowie die Be-
freiung der von ihnen „unterdrückten“ Christen eine der wesentlichen Aufga-
ben eines Kaisers sei, war Ferdinand natürlich geläufig. Mit seinem zitierten
Schreiben an den Bruder, in dem er seine Machterweiterung anzeigte, die er
nicht Karl verdankte, stellte er sich in den Rahmen dieser kaiserlichen Aufgabe,
die wahrzunehmen dem Hause Habsburg nicht erst seit Karls Wahl oblag. Als
dann 1529 Wien vom türkischen Heer belagert wurde, richtete er einen Appell
an die Öffentlichkeit, der den alten Kreuzzugsgeist atmete und sogar von der
Wiedergewinnung Jerusalems als Fernziel sprach72. Das war illusionärer ideolo-
gischer Überbau und blieb ein Einzelfall. Schon bald sah Ferdinand sich Vor-
würfen gegenüber, sein Vorgehen in Ungarn habe die osmanischen Angriffe
verschuldet, unter denen seine innerösterreichischen Länder zu leiden hätten
und zu deren Abwehr nun auch die Reichsstände beitragen sollten73. Ihnen
begegnete er mit der schwer zu widerlegenden These, „daß den Türkhen nit
wol zu widersteen, dann allain so das Königreich Hungern in aines Ertzherzo-
gen von Österreich oder aines andern teutschen Fürsten gewalt und handen
wäre“74. Daneben trat die Warnung in den Vordergrund, wenn die Türken
Ungarn einmal besäßen, würden sie sich nicht damit begnügen, und dann wären
66 Zitiert nach Pölnitz, Anton Fugger 1, S. 82
67 F. an Karl, 28.10.1526 (KF 1, S. 484)
68 Zur Wahl Ferdinands zum König von Kroatien Šišic, passim; zuletzt Hauptmann, S. 65ff.
69 FK 1, S. 130f: „Et seroit fort necessaire qu’il y eust quelque bonne paix en la chrestienté, afin que
les armes se puissent emploier contre ces ennemies de la foi chrestienne...“ (F. an Margarete von
Österreich, 12.5.1524; ähnlich schon am 4.5.1523 an Margarete, KF 1, S. 48f).
70 Vgl. Eberhard, Konfessionsbildung, S. 237f
71 So schon in einem Generalmandat v. 18.4.1530 (zitiert bei Karlez 1, S. 11).
72 Bucholtz 3, S. 263ff. Zum Stellenwert der Kreuzzugs-Terminologie im 16. Jahrhundert Baumer,
S. 28f u. S. 42f.
73 Bucholtz 4, S. 560f; Fischer-Galati, Imperialism, S. 52
74 Zitiert nach Sturmberger, S. 136, der darauf verweist, daß dieses Argument zur Begründung der
Wahl Ferdinands zum König von Kroatien (1526/27) gedient hat.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien