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Südostpolitik 643
tischen Bahnen wie vorher seine Mutter. Als er im April erklären ließ, ohne
Erlaubnis des Sultans könne er nicht auf den Königstitel verzichten, war der
tote Punkt erreicht194. Mit viel Mühe brachten die Vermittler einen Waffenstill-
stand bis zum Ende des Jahres und die Bildung einer Grenzkommission zur
Beilegung von Streitigkeiten zustande195. Die knappe Befristung war von habs-
burgischer Seite anscheinend als Druckmittel gedacht, damit der Zapolya gefü-
giger würde.
Wenn Soranzo in einem anderen Bericht im Oktober 1559 meinte, Ferdinand
verzögere den Abschluß des Vertrages mit dem Sultan, weil Philipp II. emp-
fohlen habe, jetzt nicht Frieden zu schließen, und dem Kaiser Unterstützung in
Geld und Truppen für den Krieg gegen die Türken angeboten habe196, so über-
schätzte er die finanzielle Leistungsfähigkeit des spanischen Königs ebenso wie
die Bereitschaft Ferdinands zum offenen Kampf gegen die Türken. Zwar hatte
Philipp dem Kaiser schon bald nach Cateau-Cambrésis mitgeteilt, daß er nicht
mehr in den Vertrag mit dem Sultan einbezogen werden wollte197, denn er
plante Vergeltungsschläge gegen die muslimischen Überfälle auf die spanischen
und süditalienischen Küsten und hielt die Situation wegen des Bruderzwistes im
Hause Osman für günstig198. Soranzo wollte seit Ende Oktober 1559 bei Ma-
ximilian Kriegsbereitschaft und bei Ferdinand Unschlüssigkeit erkennen, be-
richtete aber zugleich, daß der Kaiser strikte Weisung gegeben hatte, die Waf-
fenruhe in Ungarn einzuhalten, und sogar Vergeltungsmaßnahmen im Falle von
türkischen Grenzverletzungen untersagt hatte199. Das ist auf osmanischer Seite
positiv vermerkt worden200.
Schon Anfang 1560 waren in Wien die Schwächen der spanischen Kriegspla-
nung erkannt und wurden kritisiert201. Die spanische Besetzung der Insel Djer-
ba (vor der Küste Lybiens) provozierte im Sommer einen türkischen Gegen-
schlag und endete mit zwei schweren Niederlagen der Spanier202. Dennoch ist
nicht auszuschließen, daß Meldungen über die spanischen Anfangserfolge im
Frühjahr 1560 in Wien Überlegungen ausgelöst haben, im nächsten Jahr in Un-
garn eine Offensive mit dem Ziel einer Rückeroberung von Estergom und Buda
zu wagen, nachdem aus Konstantinopel Informationen gekommen waren, daß
ein neuer Krieg zwischen dem Sultan und dem Schah von Persien bevorstehe;
um die Türken zu täuschen, sollte angeblich ein Reichstag die üblichen Gelder
für die Kaiserkrönung bewilligen, die dann aber für die Offensive in Ungarn
194 VD 3, S. 139 Anm. 3: Meldungen Soranzos v. 20. u. 27.4.1560
195 BHStA München, KÄA 4306, fol 478v: Seld an Herzog Albrecht, 10.7.1560; vgl. VD 3, S. 151
Anm. 4
196 VD 3, S. 108f: Bericht v. 25.10.1559. Gegenüber den untereinander des öfteren wenig stimmigen
Berichten Soranzos ist Vorsicht geboten; Ferdinand und Maximilian haben diesen Venezianer
zweifellos nicht zum Vertrauten ihrer politischen Überlegungen gemacht, der anscheinend bei-
läufige Äußerungen überbewertet hat.
197 CDI 98, S. 58 (undatiert, ca. Mitte April 1559); vgl. Russell, S. 215
198 Braudel 3, S. 103f
199 VD 3, S. 109, 111, 115, 124.
200Õontar, S. 183 mit Anm. 92
201 VD 3, S. 135: Bericht v. 3.2.1560
202 Braudel 3, S. 108ff u. S. 122
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien