Seite - 652 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
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Kapitel 10: Kaiser Ferdinand I. im europäischen
Kräftespiel652
großen Sieg der kaiserlichen Truppen bei Pavia bei272. Schon vorher hatte er am
Kaiserhof den Gedanken vortragen lassen, nach der Rückeroberung möge man
ihm die Verwaltung Mailands als eines wiedergewonnenen Reichsgebiets über-
tragen273. Karl erkannte die Verdienste des jüngeren Bruders an, ohne jedoch
seinen Wunsch zu erfüllen274. Nachdem Ferdinand erfahren hatte, daß der statt
seiner für Mailand in Aussicht genommene Francesco Sforza des Abfalls von
der Sache des Kaisers verdächtigt wurde275, wiederholte und präzisierte er sei-
nen Antrag: Am zweckmäßigsten sei die Übertragung Mailands als erbliches
Lehen auf ihn selbst und seine männlichen Nachkommen (die er zu diesem
Zeitpunkt noch nicht hatte), denen im Falle des Aussterbens die Nachkommen
des Kaisers folgen sollten276. Indessen wurde je länger desto deutlicher, daß
Karl – obwohl es gelegentlich anderslautende Äußerungen von ihm gibt – ein
dauerhaftes Engagement Ferdinands in Italien nicht wünschte und keine Hem-
mungen hatte, über die Interessen des Bruders brüsk hinwegzugehen, wie dieser
bei den Friedensschlüssen mit Venedig und Mailand am Jahresende 1529 erfah-
ren mußte277.
Ferdinand hat den Gedanken, in Oberitalien Fuß zu fassen, noch ein Jahr-
zehnt weiter verfolgt. Anfang der dreißiger Jahre bemühte er sich ohne Erfolg
um die erledigte Markgrafschaft Montferrat278, deren Übernahme nur sinnvoll
war, wenn ihm auch Mailand noch zufallen würde279. Als Francesco Sforza
1535 starb, unternahm der jüngere Habsburger abermals einen Versuch, wobei
er seine Chancen durch Pensionszusagen an die engsten Berater des Kaisers zu
erhöhen suchte280. Mit der Ausführung betraute er keinen Geringeren als seinen
am Kaiserhof sehr angesehenen politischen Mentor, den Kardinal Bernhard
Cles von Trient281. Obwohl Ferdinand nach wie vor der Meinung war, seine
Investitur mit Mailand sei für die Sicherung der Interessen des Reiches und des
Hauses Habsburg am besten, hatte er dazugelernt, sie nur als eine unter mehre-
ren Alternativen vorzuschlagen; als andere günstige Lösungen nannte er die
Inbesitznahme des wertvollen Gebiets durch den Kaiser selbst oder für dessen
Erben oder die Übertragung an einen seiner eigenen – noch im Kindesalter
272 So urteilte Karls Großkanzler Gattinara (Rill, Fürst, S. 74).
273 Instruktion für Bredam v. 13.6.1524 (KF 1, S. 170ff), vgl. Bauer, S. 214; Rill, Fürst, S. 66fff
274 KF 1, S. 316f: Karl an F. 20./31.7.1525
275 Bucholtz 3, S. 11ff; zu dieser von Conrad Ferdinand Meyer in seiner Novelle „Die Versuchung
des Pescara“ behandelten Episode eingehend Brandi, Nach Pavia.
276 Instruktion für Salamanca v. 13.1.1526 zum Vortrag bei Karl; (KF 1, S. 360ff: vgl. Rill, Fürst, S.
227f); erneute Wiederholung nach dem Tode Karls von Bourbon (KF 2, S. 85ff: F. an Karl,
31.5.1527).
277 Rill, Humanismus, S. 573. Die Gründe, aus denen Karl V. und seine Räte Ferdinands Anliegen
weiterhin unberücksichtigt ließen, sind hier nicht zu besprechen.
278 Erste Sondierung anscheinend schon 1531, wie eine Bemerkung Karls nahelegt (KF 3, S. 96: Karl
an F., 3.4.1531); zum Endergebnis Baumgarten, Geschichte 3, S. 128f.
279 Das zwischen Mailand, Savoyen und Genua eingekeilte kleine Territorium ohne Grenzberüh-
rung mit Ferdinands Herrschaftsbereich wäre allein ein schwer zu haltender Außenposten gewe-
sen.
280 Rassow, Kaiseridee, S. 215
281 Druck der Instruktion für Cles v. 13.12.1535 bei Bucholtz 9, S. 128ff, zur Sache bes. S. 130f; zur
ganzen Aktion Cornaro, S. XXVIff; Hafner, Teil 1, S. 98f.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien