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Die baltische Frage 687
unklaren blieb545. Denn gleichzeitig brachte Cromer das Ansinnen vor, die
vorgesehene kaiserliche Gesandtschaft nach Rußland möge sich der vertraglich
festgelegten polnischen anschließen, solle aber in Moskau der Behauptung der
Polen, Livland sei eine Provinz des polnischen Königs und die Livländer wären
seine Untertanen, nicht widersprechen oder sie korrigieren, damit die Autorität
des Königs im Blick auf Livland nicht geschwächt würde; die Begründung, die
„Moskauer Barbaren“ wüßten nicht, was Klientel sei, war äußerst fadenschei-
nig.
Die Antwort Ferdinands fiel für ein diplomatisches Schriftstück deutlich aus,
ohne Umschweife kam er zum Kern der Sache: Jene Absicht des Königs, Liv-
land seine Provinz und die Livländer seine Untertanen zu nennen, sei bela-
stend, denn sie müsse bei den Reichsständen den Eindruck provozieren, „ut sub
pretextu huiusmodi clientelae et protectionis dictam provinciam ab obedientia
Sacri Imperii plane divellat et suae potestati subiciat“. Das polnische Vorpre-
schen nach Moskau wurde kritisiert: So sei das kaiserliche Schreiben nicht ge-
meint gewesen, vielmehr habe es gemeinsame Überlegungen der Mächte zum
Schutz Livlands und der benachbarten Königreiche vor den Russen anregen
wollen; zugleich wurde mit der Bemerkung, die vom Reichstag bewilligten
Gelder sollten allen Fürsten zugute kommen, die Livland helfen würden, ein
finanzieller Köder ausgelegt. Die Beteiligung an der Reise nach Moskau sei
schon aus zeitlichen Gründen unmöglich, und keinesfalls könnten die kaiserli-
chen Gesandten etwas bestätigen, was dem Reich zum Nachteil gereichen wür-
de, vielmehr solle Sigismund August alles vermeiden, was als Kränkung der
Rechte des Reiches interpretiert werden könne546. Ferdinand hielt die Sache für
wichtig genug, um sogleich die Kurfürsten über Cromers Mitteilungen und
seine Antwort zu informieren. Kurfürst August bescheinigte ihm umgehend, er
habe „dieser nicht geringschetzigen sache aus hohem kayserlichen verstandt
und gemuethe gantz wol nachgedacht und darinnen des heiligen reichs notturft
mit allem gnedigsten vleis gar statlich und hoch erwogen“, und versicherte ihn
seines Zutrauens, daß er die geeigneten Mittel finden werde, damit Livland dem
Reich erhalten bliebe547.
Ferdinand ließ es bei jenem einen Protest bewenden. Er brauchte Sigismund
August als Vermittler bei seinem Bemühen, in Ungarn endlich zu für ihn ak-
zeptablen Vereinbarungen mit den Zapolya zu kommen, und darum durfte der
Polenkönig nicht zu streng behandelt werden. Da die polnische Gesandtschaft
zum Zaren nicht zu verhindern war und die anderen Mächte auf seine Anre-
gung nicht reagierten, entschloß sich der Kaiser zunächst zu einer bescheidene-
545 Am 5.3.1560 verlangte Ferdinand vom Gesandten des Ordensmeisters Auskunft, ob jener sich
ohne Rechtsvorbehalt in fremden Schutz begeben habe (Schirren 4, S. 256f). Der Erzbischof von
Riga machte erst im Sommer 1560 von seinem Vertrag Mitteilung (HHStA Wien, RHRP 17, fol
222r: Eintrag zum 14.8.1560). Der Protokollant notierte, der Punkt solle in der Antwort „mit
stillschweigen umbgangen werden“; also wollte man den Akt nicht billigen, hatte aber eingese-
hen, daß ein Protest sinnlos war.
546 HHStA Wien, Polonica 9 Konv. A, fol 106r-107r: F. an König von Polen, Wien, 19.10.1559
(Kopie; Konzept ebda, fol 89r-92r); vgl. Übersberger, S. 324
547 Ebda, fol 111r-112v: August an F., Dresden, 7.11.1559
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien