Seite - 707 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
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Zur Heiratspolitik Ferdinands 707
hinter dem Rücken seines Schwiegersohns in Polen eine Klientel zu schaffen,
die nach dessen Tod für die Wahl eines Habsburgers hätte eintreten sollen685. –
Es wäre ein charakteristisches Beispiel für die Besiegelung eines Friedens-
schlusses durch eine Ehe geworden, wenn die 1551 im Vertrag von Weißenburg
in Aussicht genommene Verlobung von Ferdinands jüngster Tochter Johanna
mit Johann Sigismund Zapolya zur Vermählung geführt hätte, nachdem beide
Partner heiratsfähig geworden waren686. Zweifellos bedeutete es für Ferdinand
ein Opfer, diesen Konkurrenten mit der Hand einer Kaisertochter aufzuwerten,
das er nur bringen wollte, wenn dadurch ein dauerhafter Frieden zu seinen
Bedingungen zustandekäme, die er Zapolya im Herbst 1563 präsentieren ließ687.
Als jener für die Heirat „gar gute conditiones“ vorschlug, schien die Chance
zur Realisierung gekommen, und so bat der Kaiser seine bei ihren jüngeren
Schwestern einflußreiche Tochter Anna, die Gemahlin des Bayernherzogs, von
Johanna die Zustimmung einzuholen688. Ferdinand veranschlagte den Frieden
in Ungarn eindeutig höher als die Möglichkeit, durch eine von Philipp II. be-
fürwortete Heirat Johannas mit dem ältesten Sohn des Herzogs Cosimo von
Florenz den ehrgeizigen Medici den Habsburgern zu verpflichten. Der nach
Spanien zurückkehrende Martin Gúzman erhielt die Weisung, den Stand der
Gespräche zwischen Philipp und den Florentinern sorgfältig zu erkunden und
den spanischen König davon abzubringen, ihn aber nur dann in die Absicht des
Kaisers voll einzuweihen, wenn jener dem Herzog von Florenz schon Hoff-
nungen gemacht hätte; die Ehe Johannas mit Zapolya sei vordringlich, damit
zum Heile des zersplitterten Ungarn, der übrigen Erblande des Kaisers und
auch der Christenheit – man beachte die Steigerung! – ein sicherer und bestän-
diger Friede geschlossen werde („certa atque perpetua pax firmetur“), doch
bestehe die Gefahr, jenes Heiratsprojekt mit Florenz als Vorwand zu nehmen,
um die Sache in die Länge zu ziehen689. Zapolya ließ dann aber über drei Mo-
nate nichts von sich hören, so daß Seld zu der Ansicht kam, es sei ihm mit der
Heirat doch nicht ernst690. Als im Frühjahr 1564 polnische Gesandte nochmals
in Wien zu vermitteln versuchten, verlangten sie die Einlösung der 1551 ge-
troffenen Abmachung691. Aber Ferdinand war dazu nicht mehr bereit.
Grundsätzlich lag es nicht minder im Interesse Ferdinands als Philipps II.,
unter den bedeutenderen italienischen Fürsten zuverlässige Anhänger bzw. eine
Klientel zu haben, was sich nebenher im Kardinalskollegium positiv auswirken
konnte. In erster Linie gehörten die das Reichslehen Mantua innehabenden
Gonzaga dazu, denen 1530 von Karl V. die erbliche Herzogswürde verliehen
worden war. Gemeinsam war von Räten der habsburgischen Brüder, an ihrer
685 HHStA Wien, Polonica 12, Konv. 1563, fol 72r-73v: Antwort v. 24.4.1563 auf eine vertrauliche
Werbung des Erzbischofs von Krakau (von Seld korrigiertes Konzept); vgl. Übersberger, S. 376
686 s. oben S. 631; Johanna wurde Anfang 1563 16 Jahre alt.
687 HHStA Wien, RHRP 20b, Beschlüsse vom 19.9.1563; s. oben S. 650f
688 BHStA München, KÄA 4461, fol 75: F. an Herzog Albrecht, Preßburg, 22.9.1563 (eigenh.Or.;
ebda fol 74 zeitgen. Kopie)
689 HHStA Wien, Belgica DD 232, fol 629r-633r: Memoriale für Gúzman, Pressburg, 25.9.1563
690 So in eigh. Briefen an Herzog Albrecht v. 21.11.1563 u. s.d.12.1563 (BHStA München, KÄA
4308, fol 409r/v u. fol 452r/v)
691 NB II 4, S. 92 u. S. 101
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien