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Zur Heiratspolitik Ferdinands 713
drängte auf rasches Handeln und wies seine Vertreter in England an, mit den
Gesandten des Kaisers eng zusammenzuarbeiten732.
Der Weg für eine offizielle österreichische Heiratswerbung bei Elisabeth war
damit frei, und der Kaiser war auch willens, nicht länger zu zögern733. Indessen
geriet er eben jetzt in die peinliche Situation, anstelle von Erzherzog Ferdinand,
der sowohl in Brüssel wie in London als der potentielle Bräutigam betrachtet
wurde734, nur noch den erst 19 Jahre alten Karl präsentieren zu können, der
sieben Jahre jünger als die englische Königin war. Denn Erzherzog Ferdinand
scheint es nun für geraten gehalten zu haben, den Vater von seiner schon vor
zwei Jahren heimlich geschlossenen Ehe mit Philippine Welser in Kenntnis zu
setzen735. Von Versuchen des Kaisers, die unstandesgemäße Verbindung des
Sohnes annullieren zu lassen, ist nichts bekannt736. Die Gültigkeit von Klande-
stinehen war kirchenrechtlich zwar umstritten, aber nicht abschließend geregelt.
Während der ersten Tagungsperiode des Tridentinums hatten die meisten Kon-
zilsväter die Ansicht vertreten, fehlender Konsens der Eltern mache sie nicht
ungültig737; diese Tendenz war Ferdinand sicherlich bekannt. Um eine Prestige-
einbuße zu vermeiden, wurde die Sprachregelung ausgegeben, der Erzherzog
wünsche unvermählt zu bleiben738. Dem Ehepaar wurde strikte Geheimhaltung
auferlegt, was mehrere Jahre durchgehalten werden konnte739. Für Eheprojekte
mit politischen Intentionen aber stand dieser Sohn Kaiser Ferdinands seitdem
nicht mehr zur Verfügung, auch wenn er in Spekulationen noch mehrmals ge-
nannt wurde740.
Die sofortige Umstellung auf Erzherzog Karl ist ein starkes Indiz dafür, wie
wichtig dem Kaiser die Ziele erschienen, England im habsburgischen Einflußbe-
reich zu halten und die englischen Katholiken zu stützen. Im Januar hatte er
diesen Sohn noch als zu jung und im katholischen Glauben nicht genügend
732 HHStA Wien, ebda, fol 58r-60v: Bericht Helfensteins v. 7.4.1560; CDI 98, S. 59f (Philipp an
Luna, 12.4.1559); CDI 87, S. 162ff (Philipp an Feria, 12.4.1559)
733 HHStA Wien, ebda, fol 63r-64r: Bescheid an Helfenstein v. 14.4.1559
734 CDI 87, S. 180 (Feria an Philipp II., 29.4.1559); Brown 7, S. 93; Wertheimer, S. 398. Auch in
Paris glaubte man, daß Ferdinand der ausersehene Partner sei (Stevenson 1, S. 307).
735 Terminus post quem non ist die Weisung v. 14.4.1559 (s. Anm. 733), künftig sei allein für Karl
zu werben. Am 29.3.[1559] nannte Ferdinand in einem eigenhändigen Brief an Maximilian noch
die Alternative Ferdinand oder Karl (HHStA Wien, HA, FK A 2, fol 164r-165v, hier fol 165r).
736 Die Urkunde, mit der Ferdinand dem Ehepaar seine Verzeihung gewährte und es dazu ver-
pflichtete, die Ehe gegen jedermann geheim zu halten, datiert vom 1.8.1559 (Bucholtz 8, S. 721f;
Hirn 2, S. 318 mit Anm. 1).
737 Lettmann, S. 5ff; die Regelung erfolgte im Konzilsdekret „Tametsi“ in ähnlichem Sinne (ebda, S.
22ff).
738 Weisung an Helfenstein (wie Anm. 733); vgl. auch VD 3, S. 136
739 Venedigs letzter Gesandter bei Ferdinand, Michiele, hatte immerhin eine Ahnung, als er 1564
von der Liebe des Erzherzogs zu einem Augsburger Fräulein, dem er angeblich die Ehe verspro-
chen habe, berichtete (Fiedler, S. 246).
740 Ende des Jahres gab es Gerüchte, er solle eine polnischen Prinzessin heiraten und Thronfolger in
Polen werden (VD 3, S. 97, 98, 127, 130). Anfang 1563 wurde in Trient vermutet, die Reise des
Kardinals von Lothringen nach Innsbruck solle eine Ehe zwischen dem Erzherzog und Maria
Stuart vorbereiten (Šusta 3, S. 148). Der französische Gesandte in Wien, Bochetel, berichtete am
20.5.1563, Erzherzog Ferdinand werde eine portugiesische Prinzessin ehelichen (BN Paris, Cinq
cent de Colbert, n. 392, S. 19).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien