Seite - 715 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
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Zur Heiratspolitik Ferdinands 715
rückzuhalten748. In seiner offiziellen Antwort an Elisabeth gab der Kaiser zu
verstehen, er sehe ihren Bescheid nicht als endgültig an749: Karl könne als ihr
Gemahl bei den Regierungsgeschäften behilflich sein – sehr viel Erfahrung hatte
der junge Mann freilich noch nicht – und könne ihr den Thronerben schenken –
das war zumindest für jene Berater Elisabeths ein starkes Argument, die die
Ansprüche Maria Stuarts fürchteten. Insofern wurde der Heiratsantrag auf-
rechterhalten. Der außerdem angekündigte ständige Gesandte des Kaisers sollte
zur Stelle sein, wenn die Königin ihre Meinung änderte; Sinn dieser Maßnahme
war zweifellos auch, den erhaltenen Korb zu bemänteln. Darüber hinaus hoffte
Ferdinand, daß sein Gesandter in Zusammenarbeit mit dem spanischen Vertre-
ter eine für die habsburgischen Interessen nachteilige Heirat Elisabeths verhin-
dern würde und, falls sie einen Protestanten eheliche, zugunsten der englischen
Katholiken tätig sein könnte750. Darin wird abermals sein Motiv deutlich, Eng-
lands endgültiges Abgleiten ins protestantische Fahrwasser nach Möglichkeit zu
verhindern – eine Möglichkeit dazu sah er in der Vermählung der Königin mit
seinem Sohn. Ein Übertritt Karls kam für den Vater selbstverständlich nicht in
Betracht; Breuner erhielt für allzu weitherzige Äußerungen über die Lernbereit-
schaft des Erzherzogs in Glaubensfragen einen Verweis751.
Bei diesem Stand der Dinge schien das Schicksal zugunsten der Habsburger
einzugreifen. Am 10. Juli 1559 erlag Heinrich II. von Frankreich seiner schwe-
ren Turnierverletzung. Maria Stuart, die schon seit einiger Zeit den englischen
Königstitel führte, avancierte zur Gemahlin des regierenden französischen Kö-
nigs. Franz II. zögerte nicht lange, für die in Schottland von einer calvinisti-
schen Adelsrevolte bedrängte Schwiegermutter Hilfstruppen bereitzustellen752.
Für Elisabeth wurde die Lage dadurch bedrohlicher – diesen Eindruck gewan-
nen jedenfalls Breuner und Quadra, die deshalb Karls Chancen steigen sahen,
zumal sie von mehreren englischen Adligen hörten, darunter auch Cecil, jetzt
müsse sich Elisabeth doch zur Ehe entschließen753. Die im Jahre 1565 (also nach
Ferdinands Tod) erneut, und diesmal auf englische Initiative hin geführten Ver-
handlungen mit Wien belegen, daß in der Tat ein Erzherzog, der kein regieren-
der Herrscher war, vielen Engländern als geeignetste Partie erschien754. Es war
allein Königin Elisabeth, die sich diesen politischen Erwägungen nicht hat beu-
gen mögen.
Die Gespräche der habsburgischen Vertreter mit der Königin persönlich
konzentrierten sich je länger desto mehr auf den Punkt, ob Karl unter einem
Vorwand zu einem Vorstellungsbesuch nach England kommen werde. Da Eli-
sabeth darauf beharrte, rieten Breuner und Quadra dem Kaiser dringend zu
748 HHStA Wien, ebda, fol 153r/v: Weisung v. 22.6.1559; gedruckt CDI 98, S. 88–90.
749 HHStA Wien, ebda, fol 156r-159v: F. an Elisabeth, 22.6.1559; engl. Regest bei Stevenson 1, S.
330f
750 F. an Philipp, 23.6.1559: CDI 98, S. 89–91 = CDI 2, S. 544f; Diemer, S. 38
751 Wertheimer, S. 409f; Diemer, S. 41 u. S. 43
752 Diemer, S. 44; Wertheimer, S. 413
753 Über die zahlreichen Unterredungen Breuners und Quadras mit Elisabeth zwischen Juli und
Anfang Oktober eingehend Diemer, S. 45ff; die Bemerkung Cecils ebda, S. 57
754 MacCaffrey, S. 37 u. S. 40; Diemer, S. 155ff
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien