Seite - 16 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
Bild der Seite - 16 -
Text der Seite - 16 -
VON EINER FÜRSTLICHEN SAMMLUNG ZUR
FAMILIENBIBLIOTHEK16
auf die Porträtsammlung gerichtet war. Bereits im späten 19. Jahrhundert
galt die Porträtsammlung als eine der größten und bedeutendsten der Welt
und sie wurde von Außenstehenden in rasch steigendem Maße und auf sehr
unterschiedliche Weise genutzt. Die Bildnisse dienten neben anderen grafi-
schen Blättern sehr häufig als Vorlagen für Reproduktionen in Büchern. Die
Blätter aus der Porträtsammlung wurden zudem als Vorbilder für Skulptu-
ren an öffentlichen Bauwerken und Denkmälern sowie für Bildnisgalerien
genutzt. Ein besonders häufig zu beobachtendes Phänomen in diesem Zu-
sammenhang sind die Anfragen von Regimentern der k. u. k. Armee, welche
die Bildnisse der Regimentsinhaber nach Grafiken aus der Porträtsamm-
lung kopieren ließen.
Eine Folge dieser Entwicklung war, dass man in der Fideikommissbibliothek
seit ca. 1880 besondere Kompetenzen im Hinblick auf die Bestimmung und
bibliographische Beschreibung von Porträts erwarb. Der Umstand, dass der
geplante vierte Band des gedruckten Kataloges aufgrund der unzureichen-
den Erschließung der Porträtsammlung niemals zustande gekommen war,
führte zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den eigenen Beständen
und zur Anlage von Zettelkatalogen, die dem Bestimmen und Auffinden von
Bildnissen dienten. In der gebildeten Öffentlichkeit galt die Fideikommiss-
bibliothek bald als Kompetenzzentrum für Porträtforschung, was sich unter
anderem darin manifestierte, dass sie zahlreiche Porträtbestimmungen für
Außenstehende durchführte.
Während der langen Regierungszeit Kaiser Franz Josephs wurde die Fidei-
kommissbibliothek mehr und mehr zu einer Vereinigungsstätte für Nach-
lassbestände und persönliche Dokumente von Mitgliedern der Dynastie.
Auf das Sammeln von Austriaca und Habsburgica hatte bereits Moritz von
Becker sein besonderes Augenmerk gelegt. Um die Jahrhundertwende ver-
fasste Franz Schnürer schließlich ein Regulativ für den Ankauf, das den
Schwerpunkt ausschließlich auf Werke mit Bezug zur Monarchie und zum
Herrscherhaus legte. Es wurde von Chertek, wohl auch aus Kostengründen,
genehmigt, womit der Fideikommissbibliothek nun dezidiert der Charakter
einer Habsburg-lothringischen Familiensammlung verliehen werden sollte.
Gleichzeitig entwickelte Schnürer im Rahmen der Vorbereitungen zur zwei-
ten Übersiedlung die Idee, in den neuen Sammlungsräumen ein Habsbur-
germuseum zu etablieren. Dieser Plan, der vom Hohenzollernmuseum in
Berlin inspiriert war und nach den Vorstellungen seines Autors dezidiert
propagandistische Funktionen erfüllen sollte, stieß bei Chertek und anderen
Hofämtern zunächst auf großes Interesse. Realisiert wurde dieses Vorhaben
jedoch nicht. Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden, wie Rainer
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken