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DREI KAISER – DREI
BIBLIOTHEKEN88
1836 zu keinem zufriedenstellenden und dauerhaften Ergebnis geführt ha-
ben. Er wirft dem Bibliotheksvorsteher sogar vor, sich mit den Örtlichkeiten
der von ihm beanspruchten Räume und deren Verwendung ungenügend be-
schäftigt zu haben. Das Manuskriptenzimmer auf der einen Seite der Pri-
vatbibliothek würde von der Hofbibliothek erst geräumt werden, wenn diese
alle Räumlichkeiten des k. k. Hofnaturalienkabinetts erhielte. Außerdem
grenze dieses Zimmer, welches maximal ein Fünftel des Platzbedarfes dar-
stelle, an den kleinen Redoutensaal, der eine fernere Erweiterung unmöglich
mache. Auf der anderen Seite der Bibliothek kämen theoretisch nur die Ter-
rasse oder die Wohnung der Kaiserwitwe Karoline Auguste in Frage. Die De-
logierung der letzteren sei unmöglich, die Bebauung der ersteren wurde vom
Kaiser aber bereits untersagt. Khloyber habe mündlich weiters die Möglich-
keit ins Spiel gebracht, die sieben Räume der staatsrätlichen Militärsektion
im Schweizerhof zu bekommen. Diese sei aber erst 1836 vom Hofkriegsrats-
gebäude (Am Hof) dorthin übersiedelt worden und müßte, mangels anderer
Lokalitäten in der Hofburg, dorthin zurück übersiedeln. Außerdem hätten
die Räume darunter keine gewölbte Decke (um die schweren Bücherkästen
zu tragen) und eine Verbindung zur Privatbibliothek wäre lediglich mittels
einer Brücke über den Hof zu bewerkstelligen. De facto kommt also keine
dieser Möglichkeiten in Betracht, weshalb Sacken schlußendlich empfiehlt
zu warten, „welches [Lösungs]mittel, die dem menschlichen Blicke verhüllte
Zukunft, etwa einst zum Vorschein bringt“.211
Dem Konvolut zu dieser Angelegenheit liegen überdies zwei Schreiben
bei, die mit Erzherzog Stephan (1817–1867) zu tun haben. Dieser wurde von
Kaiser Ferdinand Ende des Jahres 1843 zum Zivilgouverneur (Landeschef)
von Böhmen ernannt, was seine Übersiedlung nach Prag notwendig machte.
Der Erzherzog erbat sich jedoch, sein Appartement in der Wiener Hofburg
noch über den Winter freizuhalten, um dort seine Bücher, Mineraliensamm-
lung und Schriften übergangsweise lagern zu können.212 Möglicherweise sind
diese Schreiben dem Konvolut deshalb beigelegt, da man im Umzug des jun-
gen Erzherzogs eben eine solche „bedeutende Wohnungsveränderung unter
den zum Hofstaate gehörigen Personen“213 zum Zwecke einer Bibliotheks-
vergrößerung gekommen sah, wie sie der Obersthofmeister 1836 abwarten
wollte. Doch auch sie kam nicht zustande.
Stattdessen spitzt sich die Raumnot der Bibliothek schon im Juli 1843
weiter zu, als aufgrund der Arbeiten auf der Hofburg-Terrasse (neuer Un-
211 Wien, ÖStA, HHStA, OKäA, Serie C, Kt. 10, Rubr. 74, Fasc. 1843 (Bibliothek). Stellung-
nahme Sackens vom 20.06.1843.
212 Wien, ÖStA, HHStA, OKäA, Serie C, Kt. 10, Rubr. 74, Fasc. 1843 (Bibliothek).
213 Vgl. Anm. 191.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken