Seite - 112 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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DREI KAISER – DREI
BIBLIOTHEKEN112
stand, daß derselbe Diener, der oft des Tages 5 und 6 Mal in den Oefen nach-
zusehen hat; oft in dem Augenblicke, wo er eben aus dem Schlote mit Schmutz
und Ruß angethan auf allen Vieren hervorkriecht, herbeieilen muß, um irgend
ein schönes Buch, oder einen Kupferstich oder eine Landkarte zu berühren.
Wie es denn gewiß eben so unschicklich ist, wenn eine solche Camin Gestalt,
falls Jemand an der Eingangsthüre die Glocke zieht, in dem ganzen Reitz
seines Ofenlochs [sic] Negligé erscheint, um dem Fremden zu öffnen; daher,
zumal wenn der einzige Diener verschickt ist, ein Bibliotheksbeamte[r] sich
dazu hergeben muß, die Stelle des Dieners zu versehen. Diesem einen Diener
ist alles aufgebürdet. Des Morgens heißt es das Holz aus der Holzkammer für
die Oefen zutragen, dann eilig einheitzen; die eisernen Läden an den Thüren
und Fenstern zu öffnen, Wasser zutragen, die Tische und Schränke abstäu-
ben [sic]; und das alles in größter Hast, damit er längstens [um] 9 Uhr fertig
werde; indem er dann noch Gänge in die Stadt zu den Buchhändlern oder in
die Zeitungs Comptoirs zu machen hat; später ihn aber der Dienst in der Bib-
liothek selbst in Anspruch nimmt.298
Khloyber stellt neben dem von ihm favorisierten Mignot, einen zweiten Hof-
hausknecht und auch andere, ihm empfohlene, in privaten Diensten ste-
hende Individuen zur Auswahl vor.299 Eine Entscheidung sei spätestens bis
zum Sommer zu treffen, da man die Ausmalung der Bibliotheksräumlich-
keiten (Wände und Plafond) plane – die letzte fand vor 40 Jahren statt –
und die damit beauftragten Handwerker von einem Bibliotheksdiener al-
leine nicht hinlänglich beaufsichtigt werden könnten. Ferdinand verleiht
daraufhin Ende Februar 1848 Mignot die Stelle des zweiten Bibliotheksdie-
ners (Eidesablegung am 1. März 1848) mitsamt den ehemaligen Bezügen
Wichs (jährlich 400 fl. C.M. samt 50 fl. Holz- und 80 fl. Quartiergeld).300
Eine Reduktion der Personalkosten – wie es zunächst den Anschein hat –
kann also nicht erzielt werden. Im Gegenteil, im April desselben Jahres
bittet die Witwe Anna Brunner um Zuerkennung einer Pension. Ihr wird
in Anlehnung an die Behandlung von Staatsangestellten ein Drittel des
Jahresbezugs ihres Gatten (266 fl. 40 kr.) aus der Privatkasse bewilligt.301
298 Ebenda, fol. 7r–v.
299 Neben Mignot den Hofhausknecht [N.] Seidler (empfohlen von Feldmarschall-Lieutenant
Prokop Graf Hartmann-Klarstein), Karl Haselhofer (empf. v. Kanzleidirektor im Oberst-
hofmeisteramt Heinrich Freiherr von Forstern), Jakob Borek (empf. v. seinem Schwieger-
vater dem Geheimen Kabinettsboten Josef Kerbler) sowie den Maurer-Polier in der Hof-
burg, Franz Mader (empf. v. k. k. Leibwundarzt Jakob von Semlitsch).
300 FKBA25141, fol. 9v. Im Zuge der Eidesablegung wurde Mignot der zuvor bereits 1845 von
Wich unterfertigte Eid zur Unterschrift vorgelegt, FKBA25002, fol. 5r–6r.
301 FKBA25160.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken