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DIE PRIVATBIBLIOTHEK FERDINANDS IN PRAG 1850–1875 141
ren. Schlussendlich sei einer Ablöse- oder Entschädigungsverpflichtung der
von Ferdinand gewünschten Neuerungen durch das Hofärar im Falle eines
Wohnsitzwechsels tunlichst aus dem Weg zu gehen.486
Brandis zeigt sich über die Antwort aus Wien äußerst verärgert. Zum
Zeitpunkt der ersten Reparaturen sei ein dauerhafter Aufenthalt in Prag
mit Sicherheit nicht im Raume gestanden. Man habe sogar darauf gedrängt,
nicht allzu viele Instandsetzungen zu beauftragen, um nicht unnötige Kos-
ten zu verursachen. Nun werde ihm offenbart, dass, obwohl die Raumver-
hältnisse einen unhaltbaren Zustand darstellen, von Seiten Kaiser Franz
Josephs keine weiteren Baumaßnahmen geplant seien. Brandis führt aus,
dass Kaiser Ferdinand in der Prager Burg nur ein einziges Zimmer zur Ver-
fügung stehe, in dem sogar, hinter einer spanischen Wand, auch „die Reti-
rade [Zimmertoilette] angebracht ist“. Schon deshalb seien einige Raumän-
derungen durchzuführen, um unter anderem durch das Abteilen des großen
Saales ein Vor- und ein Wartezimmer zu schaffen. Hinsichtlich der Einrich-
tung der Räume wünsche man, dass die „wertvollen, in der Darstellung aber
nicht ganz glücklichen Wandgemälde [vier Jahreszeiten]“ durch Papiertape-
ten ersetzt würden und man zudem die Effekten aus den Wiener Apparte-
ments, die seit einem Jahr in einem Magazin der Wiener Hofburg gelagert
werden, samt der Privatbibliothek nach Prag geliefert bekomme. Dafür wür-
den zusätzliche Raumfluchten benötigt, welche in jenem Flügel der Prager
Burg freistünden, der „mit dem allerhöchsten Appartement gegen den äu-
ßern Burgplatz hin zusammenhängt“. Als weiteren groben Missstand mel-
det Brandis die völlige Unbrauchbarkeit der über den Fenstern der Südfront
angebrachten „Blachen“487, die aufgrund ihrer völligen Durchlöcherung nicht
nur keinen Schutz gegen die Sonne mehr bieten würden, sondern sogar „das
Decorum verletzen“. Ist der Einzug des Kaiserpaares und seines Hofstaats
erst einmal vollzogen, so wünschen Ferdinand und Maria Anna jedoch „für
die Zukunft mit den zur Wohnung bestimmten Localitäten frei und gleich
jedem andern Wirthsmann ungehindert verfügen zu können, ohne an die im
vorigen Jahre getroffene Eintheilung gebunden zu seyn“. Brandis resümiert:
„Mein Ansinnen wegen einer Vergrößerung des kleinen Hausgärtchens und
der Anlegung von Glashäusern gründet sich auf ein Anerbiethen, das wie Ihre
Majestät die Kaiserinn mir bemerkte, Seine Excellenz der Graf Grünne488 Ihr
für den Fall, als Prag zum stabilen Aufenthalt gewählt würde, wiederholt ge-
486 Ebenda, undatiertes Schreiben mit Resolution Franz Josephs vom 16.02.1850, bzw. Kon-
zept des Antwortschreibens an Brandis vom 19.02.1850.
487 Eig. Plachen, Leinenbahnen für den Sonnenschutz.
488 Karl Ludwig Graf Grünne, erster Generaladjutant Franz Josephs.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken