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DIE PRIVATBIBLIOTHEK FERDINANDS IN PRAG 1850–1875 147
wünschte, am wenigsten von Hochdemselben auf deren Meinung ich ein hohes
Gewicht lege. Meine Rechnung mit dem Staate ist durch meine Pensionirung
abgeschloßen, ich verlange nichts mehr für mich und glaube nun desto frei-
müthiger die Interessen meines allergnädigsten Herrn vertreten zu können.
Was ich auf allerhöchsten Auftrag für Ihn verlange ist die rückständige Dota-
tion für den Monath Februar, die Erfüllung der mir vom Herrn Minister-Prä-
sidenten ertheilten Zusicherungen künftig unverzüglich und unvermindert zu
erhalten, was für die Dotation Seiner Majestät in Anspruch genommen wird
und eine unabhängige eines Kaisers würdige Stellung für Seine Majestät. Ich
habe meine detaillirten Anträge dazu an Seine Durchlaucht den Herrn Ersten
Obersthofmeister gerichtet und erlaube mir mich darauf zu beziehen.“495
Wenn die Sachverhaltsdarstellung des Obersthofmeisters den Tatsachen ent-
spricht, so wäre der beabsichtigte Versuch einer Beschränkung von Ferdin-
ands finanzieller Handlungsfreiheit tatsächlich ungeheuerlich und Brandis’
Einspruch vollkommen gerechtfertigt. Das Ansinnen, den abgedankten Mo-
narchen im Zuge der Dotationsbewilligung finanziell ans Gängelband zu le-
gen, seine Ausgaben als gerechtfertigt oder sinnlos zu bewerten und daran
schließlich die „notwendige“ Höhe bemessen zu wollen, zeugt von fehlender
Wertschätzung des Wiener Hofs und damit auch Franz Josephs seinem Vor-
gänger gegenüber. Das Schreiben scheint seine Wirkung nicht verfehlt zu ha-
ben, denn im September 1850 kommt es in dieser Angelegenheit zu einem
Konsens. Unter Vorbehalt eines Reichstagsbeschlusses einigt man sich auf
eine jährliche Dotation von 500.000 Gulden für Ferdinand (zahlbar in Monats-
raten zu 41.666 fl. 40 kr. durch die k. k. Hauptkasse in Prag) und 50.000 Gul-
den „Spenadelgeld“496 für seine Gattin (hier „Stecknadelgeld“ genannt), die auf
Befehl Franz Josephs provisorisch ab 1. Oktober 1850 ausbezahlt werden.497
Auf Grundlage der am 6. September erfolgten Genehmigung zur Teilung
des Hofstaats werden die ferdinandeischen Beamten mittels Zirkularschrei-
ben vom 6. Oktober schließlich aufgefordert anzugeben, ob sie in den Hof-
staat Ferdinands übertreten wollen, wofür sich die große Mehrheit entschei-
det.498 Allen Angestellten wird das Recht eingeräumt, im Falle des Ablebens
495 Prag, Narodni Archiv, hofmistra cisare Ferdinanda I., Rubr. 27, Kt. 152, Konzept des
Schreibens von Brandis an Krauß vom 28.05.1850.
496 Dotation oder Apanage zur Deckung der Privatauslagen.
497 Kramp, Brandis, 375–382. Das Einnahmen- und Ausgabenjournal über diese Dotation be-
findet sich in Wien, ÖStA, HHStA, GdPFF Ä.R., Kt. 40. Zur Berechnung der Dotation siehe
auch Wien, ÖStA, HHStA, OMeA, Kt. 594, Rub 130/1, Schreiben des Grafen Brandis an
Fürst Liechtenstein vom 10.12.1849.
498 Prag, Narodni Archiv, hofmistra cisare Ferdinanda I., Rubr. 10, Kt. 10, Schreiben Fürst
Liechtensteins vom 12.09.1849.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken