Seite - 172 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
Bild der Seite - 172 -
Text der Seite - 172 -
DREI KAISER – DREI
BIBLIOTHEKEN172
Eine weitere Parallele zur Privatbibliothek seines Vaters Franz I. ist im
Umstand zu erkennen, dass Ferdinand wiederholt größere Bestände oder
ganze Sammlungen zum Kauf angeboten wurden. Der Aquarellmaler und
Akademieprofessor Franz Xaver Gruber etwa erinnert 1851 daran, dass er
einst die Erlaubnis hatte, wöchentlich eine Zeichnung einer im Schönbrun-
ner Schlosspark blühenden Pflanze gegen Entgelt übergeben zu dürfen. Um
diese Vereinbarung stets pünktlich erfüllen zu können, habe er immer einen
kleinen Vorrat angelegt, auf dem er aber nach der Abdankung 1848 sitzen-
geblieben sei. Er bittet daher um Abnahme der 28 vollendeten Blätter zum
Preis von je 4–8 Gulden.589 Die Witwe des verstorbenen Mathematikers Jo-
seph Freiherr von Porta bittet Ferdinand 1854 darum, ihr die Restauflage
des von ihrem Mann verfassten Werkes „Elementarunterricht in der Situa-
tionszeichnung als Leitfaden für Schul- und Selbstunterweisung“ abzukau-
fen.590 Der Braunschweiger Arzt Mühlenbein trägt 1855 seine Siegel- und
Wappensammlung samt dazugehöriger Bibliothek heraldisch-genealogischen
Inhalts zum Preis von 800 Talern zum Kauf an.591 Der Wiener Buchhänd-
ler Friedrich Schaumburg ersucht den abgedankten Monarchen 1859 um
Abnahme einiger wertvoller Bücher aus seinem Warenlager als finanzielle
Unterstützung für sein Unternehmen. Er erinnert dabei an die Verdienste
seines Vaters Carl Schaumburg im Rahmen der Evakuierung der franziszei-
schen Privatbibliothek 1805 und 1809 im Zuge der Eroberung Wiens durch
französische Truppen592 und spielt gleichzeitig auf seine eigenen Verdienste
während der Revolution von 1848 und sein dabei verlorenes Vermögen an.
Im Rahmen der militärischen Interventionen seien zudem seine drei Söhne
als kaiserliche Offiziere gefallen.593 Abweichend zum (großzügigen) Verhal-
ten Franz’ I. in solchen Angelegenheiten fällt die Reaktion Ferdinands über-
wiegend negativ aus. Dem Maler Gruber wird mitgeteilt, dass „es nicht die
Absicht Seiner Majestät [sei], die Sammlung der Abbildungen von Pflanzen
aus den Schönbrunnergärten, mit dem Allerhöchste Durchlaucht nicht mehr
in näherer Verbindung stehen, fortzuführen“. Da die Vereinbarung mit Gru-
ber 1848 aber noch nicht aufgekündigt gewesen sei, sehe man sich allerdings
bereit, den Restbestand zum angegebenen Preis anzukaufen. Die Bitte der
Witwe Elisabeth von Porta wird mit dem Hinweis auf die „großen und viel-
589 Prag, Narodni Archiv, hofmistra cisare Ferdinanda I., Rubr. 22, Kt. 33. Verzeichnis der
abgebildeten Pflanzen liegt bei.
590 Prag, Narodni Archiv, hofmistra cisare Ferdinanda I., Rubr. 22, Kt. 34.
591 Prag, Narodni Archiv, hofmistra cisare Ferdinanda I., Rubr. 9, Kt. 9. Georg August Hein-
rich Mühlenbein war allerdings bereits 1845 verstorben. Vermutlich versuchten sein Sohn
oder die Familie, die Sammlung zu verkaufen.
592 Vgl. dazu Huber-Frischeis/Knieling/Valenta, Privatbibliothek, 269–272.
593 Prag, Narodni Archiv, hofmistra cisare Ferdinanda I., Rubr. 22, Kt. 35.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken