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DIE PRIVATBIBLIOTHEK FERDINANDS IN PRAG 1850–1875 173
seitigen Ansprüche, die an die allerhöchste Mildthätigkeit gestellt werden“
ebenso abgewiesen wie das Ankaufsanbot der den Interessen Ferdinands ge-
wiss entsprechenden Mühlenbein’schen Sammlung. Dem beinahe schon dra-
matischen Hilferuf Schaumburgs setzt Bibliothekar Negrelli entgegen, dass
das zweifelsohne vorhandene Vermögen des Buchhändlers durch die selbst-
verschuldeten hohen Lebenshaltungskosten aufgezehrt worden sei, weshalb
dem Ansuchen schlussendlich ebenfalls nicht stattgegeben wird.
Um das Bild Ferdinands aber nicht einseitig zu verzerren, sei auf seinen
ausgeprägten Förderwillen auf anderen Ebenen hingewiesen. Von den bei der
jährlichen Ausstellung der Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde in Böh-
men präsentierten Gemälden kauft Ferdinand beispielsweise 1857 „Verthei-
digung der Prager Brücke gegen die Schweden im Jahre 1648“ von Vincenz
Melka aus Prag (480 fl. ö.W.), „Ein Entenjäger“ von (Peter?) von Hess aus
München (400 fl. ö.W.), „Das Innere der Kirche St. Jacques in Brüssel“ von
Julius Genisson aus Brüssel (450 fl.); 1859 „Erste Waffenthat des Erzherzogs
Carl im Gefechte bei Aldenhoven am 1. März 1793“ von Wilhelm Emélé aus
München (218 fl. ö.W.), „Der Postwagen“ von Carl Spitzweg aus München
(336 fl. ö.W.), „Kaiser Ferdinand II. Gottvertrauen in seiner hilflosen Lage
während der Belagerung seiner Burg zu Wien“ von Franz Czermak in Prag
(380 fl. ö.W.) oder 1860 eine „Madonna“ von Rudolf Müller aus Prag (280 fl.
ö.W.) und „Bauernhof im Sudetengebirge“ von Friedrich Hawranek aus Prag
(288 fl. ö.W.). Der Verein attestierte ihm natürlich bei jeder Gelegenheit, sich
durch den Ankauf „an die Spitze der Kunstfreunde“ gestellt zu haben. Die
Gemälde wurden nach dem Ende der Ausstellungen nach Reichstadt trans-
portiert, wo vermutlich noch Wanddekoration fehlte. Auch bei den Ausstel-
lungen des Kunstvereins für Böhmen tritt Ferdinand als Förderer auf. Durch
den Ankauf von „Aktien“, denen zu Ausstellungsende per Losentscheid Ge-
mälde zugewiesen werden, erhält er beispielsweise 1862 das Ölgemälde von
Josef Mayburger „Partie am Hintersee“. Bei der gleichen Ausstellung kauft er
mit dem von August Heinrich Niedmann gemalten Bild „Toast auf das Braut-
paar“ das später zum „Lieblingsbild des Publikums“ gewählte Gemälde, wel-
ches als Vorlage für das allen Mitgliedern zugesandte Vereinsblatt (Kopie als
Farbdruck) des Jahres 1864 dienen sollte und dem Kunstverein mit Ferdi-
nands Genehmigung noch längere Zeit zur Verfügung gestellt wurde. Auch
diese beiden Stücke gelangen schließlich nach Reichstadt.594
Eine der bibliothekarischen Verdienste Negrellis ist die Anlage eines neuen
Kataloges, der seiner Grundintention nach einem Standortsrepertorium
entspricht (FKB.INV.32). Dieses Gesamtverzeichnis ist in sechs Bände un-
594 Prag, Narodni Archiv, hofmistra cisare Ferdinanda I., Rubr. 9, Kt. 9.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken